Zweite Szene

[121] SIEGFRIED tritt mit seinen zwölf Recken ein.

Ich grüß dich, König Gunther von Burgund! –

Du staunst, daß du den Siegfried bei dir siehst?

Er kommt, mit dir zu kämpfen um dein Reich!

GUNTHER.

Hier kämpft man nicht um das, was man schon hat!

SIEGFRIED.

Um das denn, was dran fehlt! Ich hab ein Reich,

So groß wie deins, und wenn du mich besiegst,

So bist du Herr darin. Was willst du mehr?

Du greifst noch nicht zu deinem Schwert? Ich hörte

Ja doch, daß hier die Tapfersten der Recken

Versammelt seien, kühn genug, mit Thor

Zu kämpfen um den Donner, wenn sie ihn

In irgend einem Eichenhaine träfen,

Und stolz genug, die Beute zu verschmähn.

Ist das nicht wahr? Wie? Oder zweifelst du

An meinem Pfande, glaubst du, daß ichs dir

Nicht geben kann, weil noch mein Vater lebt?

Herr Sigmund steigt von seinem Thron herunter,

Sobald ich wiederkehre, und er wünscht

Sich sehnlich diesen Augenblick herbei,

Denn selbst der Szepter wird dem Greis zu schwer.

Und jeden Helden, der dir dienen mag,

Wäg ich dir auf mit dreien, jedes Dorf

Mit einer Stadt, und für ein Stück vom Rhein

Biet ich den ganzen dir! So komm und zieh!

DANKWART.

Wer spricht mit einem König so?

SIEGFRIED.

Ein König!

Spricht doch ein Degen so mit einem Degen!

Wer kann und mag besitzen, wenn er nicht[121]

Bewiesen hat, daß er mit Recht besitzt?

Und wer erstickt das Murren um sich her,

Bevor er den Gewaltigsten, der lebt,

Zu Boden warf, und ihn mit Füßen trat?

Bist du das nicht? So sag mir, wen du fürchtest,

Und gleich zur Stunde zieh ich wieder ab

Und fordre den, statt deiner, vor mein Schwert!

Du nennst ihn nicht und greifst auch nicht zur Wehr?

Ich brenne, mich zu messen mit dem Recken,

Der mir mein Gut verdoppelt oder nimmt:

Wär dies Gefühl dir fremd? Das glaub ich nicht,

Wenn ich auch nur auf deine Diener blicke:

So stolze Männer würden dir nicht folgen,

Empfändest du nicht ganz so, wie ich selbst.

DANKWART.

Du bist gewiß aufs Kämpfen so versessen,

Seit du des Lindwurms Schuppen-Panzer trägst?

Nicht jedermann betrog den Tod, wie du,

Er findet eine offne Tür bei uns.

SIEGFRIED.

Wohl auch bei mir! Hab Dank, du alte Linde,

Daß du ein Blatt auf mich herunterwarfst,

Als ich mich badete im Blut des Drachen,

Hab Dank, o Wind, daß du sie schütteltest!

Nun hab ich doch die Antwort für den Spötter,

Der seine Feigheit hinter Hohn versteckt.

HAGEN.

Herr Siegfried, Hagen Tronje nennt man mich,

Und dieser ist mein Bruder!

VOLKER macht einen Geigenstrich.

SIEGFRIED.

Hagen Tronje,

Ich grüße dich! Doch wenn dich das verdreußt,

Was ich hier sprach, so brauchst dus nur zu sagen,

Ich setze gern den Königssohn beiseite

Und stehe dir, als wärst du Gunther selbst.

GUNTHER.

Kein Wort mehr, Hagen, eh dein König sprach.

SIEGFRIED.

Und wenn du fürchtest, daß dein gutes Schwert

An meiner harten Haut zerspringen könnte,

So biete ichs dir anders, komm herab

Mit in den Hof, dort liegt ein Felsenblock,

Der ganz so schwer für mich ist, wie für dich:[122]

Wir werfen und erproben so die Kraft.

GUNTHER.

Du bist willkommen, Held aus Niederland,

Und was dir hier gefällt, du magst dirs nehmen,

Nur trink mit uns, eh dus von dannen trägst.

SIEGFRIED.

Sprichst du so mild mit mir? Da könnt ich bitten:

Schick mich sogleich zurück zu meinem Vater,

Er ist der einzge, der mich züchtgen darf.

Doch, laß michs, wie die kleinen Kinder machen,

Die auch nicht gleich von ihrer Unart lassen:

Kommt, werft mit mir, so trinke ich mit Euch!

GUNTHER.

So seis, Herr Siegfried.

SIEGFRIED zu Dankwart.

Und was Euch betrifft,

Nicht wahr, ich kniff Euch in den dritten Arm,

Es tat nicht weh, ich weiß, Ihr habt ihn nicht!


Zu allen.


Als ich hier einritt, packte mich ein Grauen,

Wie ichs noch nicht empfand, solang ich lebe,

Mich fröstelte, als würds auf einmal Winter,

Und meine Mutter kam mir in den Sinn,

Die nie zu weinen pflegte, wenn ich zog,

Und dies Mal weinte, als ob alles Wasser

Der Welt den Weg durch ihre Augen nahm.

Das machte mir den Kopf so wirr und kraus,

Ich wollte gar vom Pferde nicht herunter –

Jetzt bringt Ihr mich so bald nicht mehr hinauf.


Alle ab.


Quelle:
Friedrich Hebbel: Werke. Band 1–5, Band 2, München 1963, S. 121-123.
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