Zwölfte Szene

[290] Etzel tritt rasch mit Kriemhild und seinen Königen auf und wirft sich zwischen die Heunen und die Nibelungen.


ETZEL.

Bei meinem Zorn! Die Waffen gleich gestreckt!

Wer wagt es, meine Gäste anzugreifen?

WERBEL.

Herr, deine Gäste griffen selber an:

Schau her![290]

ETZEL.

Das tat Herr Volker aus Versehn!

WERBEL.

Vergib! Hier steht der Markgraf Rüdeger –

ETZEL wendet ihm den Rücken.

Seid mir gegrüßt, ihr Vettern! Doch warum

Noch jetzt im Harnisch?

HAGEN halb gegen Kriemhild.

Das ist Brauch bei uns,

Wenn wir auf Feste gehn. Wir tanzen nur

Nach dem Geklirr der Degen, und wir hören

Sogar die Messe mit dem Schild am Arm.

ETZEL.

Die Sitte ist besonders.

KRIEMHILD.

Die nicht minder,

Den größten Unglimpf ruhig einzustecken

Und sich zu stellen, als ob nichts geschehn.

Wenn du dafür von mir den Dank erwartest,

So irrst du dich.

DIETRICH.

Ich bin heut Kirchenvogt,

Wer in die Messe will, der folge mir.


Er geht voran, die Nibelungen folgen in den Dom.


Quelle:
Friedrich Hebbel: Werke. Band 1–5, Band 2, München 1963, S. 290-291.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Die Nibelungen
Die Nibelungen
Dramen (Judith - Maria Magdalena - Gyges und sein Ring - Die Nibelungen)
Agnes Bernauer - Die Nibelungen - Deutsche Klassiker Bibliothek der literarischen Meisterwerke