Dreizehnte Szene

[291] KRIEMHILD faßt Etzel währenddem bei der Hand.

Tritt auf die Seite, Herr, recht weit, recht weit,

Sonst stoßen sie dich um, und wenn du liegst,

So kannst du doch nicht schwören, daß du stehst.

ETZEL.

Herr Rüdeger, keine Waffenspiele heut.

KRIEMHILD.

Vielleicht dafür ein allgemeines Fasten?

ETZEL.

Ich bitt Euch sagts den Herrn von Dänemark

Und Thüring auch. Der alte Hildebrant

Weiß schon Bescheid.

KRIEMHILD.

Herr Rüdeger, noch eins:

Was habt Ihr mir zu Worms am Rhein geschworen?

RÜDEGER.

Daß dir kein Dienst geweigert werden soll.

KRIEMHILD.

Geschah das bloß in Eurem eignen Namen?

ETZEL.

Was Rüdeger gelobte, halte ich.

KRIEMHILD.

Nun: König Gunther wandte still den Rücken,

Als Hagen Tronje seinen Mordspieß warf,

Hättst du den deinen heute auch gewandt,[291]

So wärst du quitt gewesen gegen mich,

Doch da dus hinderst, daß ich selbst mir helfe,

So fordre ich des Mörders Haupt von dir!

ETZEL.

Ich brings dir auch, wenn er dir nicht das meine

Zu Füßen legt.


Zu Rüdeger.


Nun geh!

KRIEMHILD.

Wozu denn noch?

Bei Waffenspielen gibt es immer Streit,

Und nie vollbringt ihr euer Werk so leicht,

Als wenn die wilde Flamme einmal lodert

Und alles grimmig durcheinander rast.

Ich kam, weil ich mich hier erraten glaubte,

Verstehst du mich noch heute nicht? Darauf!

ETZEL.

Nein, Kriemhild, nein, so ist es nicht gemeint!

Solang er unter meinem Dach verweilt,

Wird ihm kein Haar gekrümmt, ja, könnt ich ihn

Durch bloße Wünsche töten, wär er sicher:

Was soll noch heilig sein, wenn nicht der Gast?


Er winkt Rüdeger, dieser geht.


Quelle:
Friedrich Hebbel: Werke. Band 1–5, Band 2, München 1963, S. 291-292.
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