Dritte Szene

[150] Ute und Kriemhild treten auf.


SIEGFRIED.

Ich bitte dich!

GISELHER.

Was ist?

SIEGFRIED.

Nie wünscht ich meinen Vater noch herbei,

Daß er mir sage, wie ich kämpfen solle,

Doch meine Mutter könnt ich heute brauchen,

Um sie zu fragen, wie man reden muß.

GISELHER.

Gib mir die Hand, wenn du so blöde bist.

Man nennt mich hier das Kind. So mag man sehen,

Wie dieses Kind den Löwen führt!


Er führt Siegfried den Frauen zu.


Der Held

Aus Niederland!

SIEGFRIED.

Erschreckt nicht, edle Frauen,

Daß ichs allein bin.

UTE.

Tapfrer Siegfried, nein!

Das tun wir nicht, du bist der Recke nicht,

Der übrig bleibt, wenn alle andern fallen,

Damit das Unglück einen Boten hat.

Du meldest mir die neue Tochter an

Und Kriemhild ihre Schwester.

SIEGFRIED.

Königin,

So ists!

GISELHER.

So ists! Nichts weiter? Und auch das

Noch schwer heraus gebracht? Mißgönnst du sie

Dem König, meinem Bruder, oder hast du,

Es ist bis jetzt kein Beispiel zwar bekannt,

Im Kampf die Zunge dir verstaucht? Doch nein,

Du brauchtest sie vorhin ja flink genug,

Als du mir von Brunhildens braunen Augen

Und schwarzem Haar erzähltest.

SIEGFRIED.

Glaubt es nicht!

GISELHER.

Er hebt, um es mit Nachdruck abzuleugnen,

Noch drei von seinen Fingern auf, und schwört

Zu Blau und Blond.

UTE.

Dies ist ein arger Schalk,[150]

Der zwischen Birk und Haselstaude steht:

Der Rute seiner Mutter längst entwachsen,

Hat er des Vaters Gerte nie gespürt

Und ist so übermütig, wie ein Füllen,

Das nichts vom Zaum und von der Peitsche weiß.

Vergib ihm, oder züchtge ihn!

SIEGFRIED.

Das mögte

Gefährlich sein! Ein wildes Füllen zäumen

Ist schwer, und mancher hinkt beschämt davon,

Bevor er es besteigen kann!

UTE.

So geht

Er wieder ohne Strafe aus!

GISELHER.

Zum Dank

Will ich dir was verraten.

KRIEMHILD.

Giselher!

GISELHER.

Hast du was zu verbergen? Fürchte nichts!

Ich kenne dein Geheimnis nicht und blase

Von deinen Kohlen keine Asche ab.

UTE.

Was ist es denn?

GISELHER.

Jetzt hab ichs selbst vergessen!

Wenn eine Schwester plötzlich so errötet,

So denkt man doch als Bruder drüber nach

Und fragt sich nach dem Grund. Ei nun, gleich viel!

Mir fällts wohl noch vorm Sterben wieder ein,

Und dann erfährt ers gleich.

SIEGFRIED.

Du magst wohl spotten,

Denn ich vergesse meinen Auftrag ganz,

Und eh ich euch noch in die Sonntagskleider

Getrieben habe, hört ihr die Trompeten,

Und Gunther zieht mit seiner Braut hier ein!

GISELHER.

Siehst du den Küchenmeister denn nicht rennen?

Dem hat dein Kommen schon genug gesagt!

Doch helf ich ihm!


Er geht zu Rumolt.


KRIEMHILD.

So edlem Boten dürfen

Wir keine Gabe bieten!

SIEGFRIED.

Doch! O doch!

KRIEMHILD nestelt an einer Spange und läßt dabei ihr Tuch fallen.[151]

SIEGFRIED hascht nach dem Tuch.

Und diese seis!

KRIEMHILD.

Die ziemt nicht dir, noch mir!

SIEGFRIED.

Kleinodien sind mir, was den andern Staub,

Aus Gold und Silber kann ich Häuser baun,

Doch fehlt mir solch ein Tuch.

KRIEMHILD.

So nimm es hin.

Ich hab es selbst gewirkt.

SIEGFRIED.

Und gibst dus gern?

KRIEMHILD.

Mein edler Siegfried, ja, ich geb es gern!

UTE.

Doch nun erlaubt – es wird auch Zeit für uns!


Ab mit Kriemhild.


Quelle:
Friedrich Hebbel: Werke. Band 1–5, Band 2, München 1963, S. 150-152.
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