Achte Szene

[161] Hagen und Siegfried treten auf.


SIEGFRIED.

Was willst du, Hagen? Warum winkst du mich

Hinweg von dem Bankett? Ich werde nie

So wieder sitzen, wie ich heute sitze,

So gönnt mir doch den Tag, ich habs ja wohl

Um euch verdient.

HAGEN.

Es gibt noch mehr zu tun.

SIEGFRIED.

Verschiebts auf morgen! Die Minute gilt

Mir heut ein Jahr, ich kann die Worte zählen,

Die ich mit meiner Braut gesprochen habe,

So laßt mir doch den Abend für mein Weib.

HAGEN.

Verliebte und Berauschte störte ich

Noch niemals ohne Not. Es hilft dir nichts,

Daß du dich sträubst, du mußt. Was Brunhild sprach,

Hast du gehört, und wie sie Hochzeit hält,

Siehst du ja wohl, sie sitzt bei Tisch und weint.

SIEGFRIED.

Kann ich es ändern?

HAGEN.

Daß sie halten wird,

Was sie gelobte, ist nicht zweifelhaft,

Und daß die Schande unauslöschlich wäre,

Noch weniger! Dies leuchtet dir doch ein?

SIEGFRIED.

Was folgt daraus?

HAGEN.

Daß du sie bändgen mußt!


Gunther tritt herzu.


SIEGFRIED.

Ich?

HAGEN.

Hör mich an! Der König geht mit ihr

Ins Schlafgemach. Du folgst ihm in der Kappe.

Er fordert, eh sie sich das Tuch noch lüftet,

Mit Ungestüm den Kuß. Sie weigert ihn.

Er ringt mit ihr. Sie lacht und triumphiert.

Er löscht, als wärs von ungefähr, das Licht

Und ruft: So weit der Spaß und nun der Ernst,

Hier wird es anders gehn, als auf dem Schiff!

Dann packst du sie und zeigst ihr so den Meister,

Bis sie um Gnade, ja ums Leben fleht.

Ist das geschehn, so läßt der König sie[161]

Zu seiner untertän'gen Magd sich schwören,

Und du entfernst dich, wie du kamst!

GUNTHER.

Bist du

Bereit, mir diesen letzten Dienst zu leisten?

Ich fordre niemals einen mehr von dir.

HAGEN.

Er wird und muß. Er hat es angefangen,

Wie sollt ers nicht auch enden?

SIEGFRIED.

Wollt ich auch,

Und wahrlich, ihr verlangt ein Stück von mir,

Das ich wohl auch an einem andern Tage,

Als an dem Hochzeitstag, euch weigern dürfte,

Wie könnt ich nur? Was sagt ich zu Kriemhild?

Sie hat schon jetzt so viel mir zu vergeben,

Daß mir der Boden unterm Fuße brennt;

Wollt ich den Fehl noch einmal wiederholen,

So könnte sies im Leben nicht verzeihn.

HAGEN.

Wenn eine Tochter von der Mutter scheidet,

Und aus dem Zimmer, wo die Wiege stand,

Ins Brautgemach hinüber schreiten soll,

So gibt es einen langen Abschied, Freund!

Die Zeit reicht hin für dich und also – Topp!


Da Siegfried die Hand weigert.


Brunhild ist jetzt ein angeschoßnes Wild,

Wer wird es mit dem Pfeil so laufen lassen,

Ein edler Jäger schickt den zweiten nach.

Verloren ist verloren, hin ist hin,

Die stolze Erbin der Valkyrien

Und Nornen liegt im Sterben, töt sie ganz,

Dann lacht ein muntres Weib uns morgen an,

Das höchstens spricht: ich habe schwer geträumt!

SIEGFRIED.

Ich weiß nicht, was mich warnt.

HAGEN.

Du denkst, Frau Ute

Ist fertig, eh du selbst! Verlaß dich drauf,

Sie ruft Kriemhild nach Segen und Umarmung

Noch drei Mal wieder um!

SIEGFRIED.

Und dennoch: Nein!

HAGEN.

Was? Wenn in diesem Augenblick ein Bote

Erschiene und dir meldete, dein Vater[162]

Läg auf den Tod darnieder, riefest du

Nicht gleich nach deinem Roß, und triebe dich

Dein Weib nicht selbst hinauf? Nun kann ein Vater

Doch selbst als Greis genesen, doch die Ehre,

Einmal erkrankt, und dann nicht rasch geheilt,

Steht niemals wieder von den Toten auf.

Und eines Königs Ehre ist der Stern,

Der alle seine Recken mit beleuchtet

Und mit verdunkelt! Weh dem Zauderer,

Der ihm nur einen seiner Strahlen raubt.

Vermögte ichs, so bät ich dich nicht länger,

Ich tät es selbst und wäre stolz darauf,

Doch Zauberkünste habens angefangen,

Und Zauberkünste müssens nun auch enden:

So tus denn! Soll ich knien?

SIEGFRIED.

Ich tus nicht gern!

Wer hätt sich das gedacht! Und dennoch lags

So nah! O, drei Mal heilige Natur!

Mich widerts, wie noch nie in meinem Leben,

Doch was du sagst, hat Grund, und also seis.

GUNTHER.

Ich gebe meiner Mutter einen Wink –

HAGEN.

Nein! Nein! Kein Weib! Wir stehn allhier zu dreien

Und haben, hoff ich, keine einzge Zunge,

Der vierte in unsrem Bunde sei der Tod!


Alle ab.


Quelle:
Friedrich Hebbel: Werke. Band 1–5, Band 2, München 1963, S. 161-163.
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