[139] Es ist nach und nach dunkel geworden; von einer Magd wird eine große Lampe angezündet, Krüge werden auf den langen Tisch gestellt, Brot wird gebracht. Caspar, Balthasar und Hans kommen durch verschiedene Eingänge, einer nach dem andern.
Golo im Vordergrund, geht unruhig auf und ab. Conrad kommt singend.
GOLO.
Der singt! Wie seltsam, daß in dieser Welt
Noch einer singt.[139]
CONRAD tritt singend ein; zu einem Hunde, den man nicht sieht.
Zurück mit dir! Ist hier
Dein Stall?
Er singt.
Der Jäger zog – wo zog er doch?
Der Jäger schoß – was schoß er doch?
Wer fragen kann, der zog nicht mit,
Ich denke auch, er aß nicht mit
Vom –
Er bemerkt Golo.
Ich biet Euch guten Abend, Herr!
Zum Singen hat der Jäger heut kein Recht,
Denn was er schoß, ließ er zurück im Wald.
Daß man ihn mitnahm, war der Has nicht wert!
Zu Margaretha.
Ist Käthchen untreu, oder treu? Ihr seid
Doch eine weise Frau, nicht wahr?
MARGARETHA.
So treu,
Wie Genoveva!
CONRAD.
Freue dich, mein Herz!
GOLO immer für sich.
Wie lange bleibt die Mutter! Ward der Narr
Ertappt? Ging er vorüber an der Tür?
Recht! Wechsle Frag und Antwort mit dir selbst,
Mach Worte, daß dich kein Gedanke stört!
Der tolle Klaus kommt herein, ein langes geschliffenes Jagdmesser in der Hand, und eilt auf Hans zu.
KLAUS.
Blank – scharf – sieh!
Er schneidet sich in die Hand.
HANS entreißt ihm das Messer.
Ists erlaubt, so toll zu sein?
Der schneidet, um zu zeigen, daß er mir
Mein Messer gut geschärft, sich in die Faust.
Klaus Ohnegrund, warum nicht in den Hals?
CONRAD.
Wer gibt dem Tollen auch zum Schleifen wohl
Sein Messer?
HANS.
Wer? Ihr fragt ja, wie ein Graf!
Der tuts, der selbst nicht Zeit hat. Soll man Euch
Erst um Erlaubnis bitten?
CONRAD.
Wie man will.[140]
HANS erhebt sein Messer.
Es scheint, Ihr zweifelt, ob des Tollen Hand
Die Arbeit gut gemacht: wollt Ihr Beweis?
GOLO.
Halt Frieden, Hans!
HANS.
Noch ists vorm Beten, Herr,
Und den da – nun, steck ein! Sein Wams ist fein!
Nicht um den Kerl wärs schad, doch um das Wams.
CONRAD dringt auf Hans ein.
Was?
GOLO.
Hans, du bist im Unrecht. Klaus ist toll!
Doch der ists auch, der ihm ein Messer gibt.
HANS.
Klaus ist nicht toll, wenn er den Hundestall
Verläßt, und aufrecht wandelt, wie ein Mensch.
Ja, wenn er kriecht, dann geb ichs zu. Klaus, komm!
Das Vaterunser lehrt ich dir! Sags her!
Klaus hat sich inzwischen in eine Ecke gekauert.
Wo ist er?
MARGARETHA.
Dort! Er schläft!
HANS.
Er hat den Platz
Beim Ofen sich gewählt. Ja
Er lacht.
der ist toll!
CONRAD.
Noch gestern biß er mit dem Philax sich.
HANS.
So?
MARGARETHA.
Nun, dann tat er, was nicht jeder tut.
Zu Hans.
Wie kommt es nur, daß solch ein Halbmensch sich
Aus Busch und Wald in dieses Schloß verirrt,
Um die hochadelige Dienerschaft
Durch seine Torheit zu entzwein?
HANS.
Ja wißt:
Von Bettlern, Tollen,
Mit einem Blick auf sie.
Alten Weibern wirds
Bei uns nicht leer, denn die Barmherzigkeit
Wohnt unter uns in eigener Person.
Nicht wir: die Gräfin herbergt jenen Klaus,
Sie traf ihn 'nmal, ich glaub, in einem Sumpf.
Klaus mag es ihr vergelten, wenn sie selbst
Einst toll geworden ist, und er ein Graf.[141]
MARGARETHA.
Ein wahres Ungetüm! Schneeweißes Haar,
Und rote, runde Backen, wie ein Kind.
HANS.
Man sagt, er hat im Wald zur Nacht einmal
Ein Schreckgesicht gesehn, da ward das Haar
Ihm weiß, Gott steh ihm und uns allen bei!
Die andern haben sich, mit Ausnahme des schlafenden Klaus, um den Tisch gestellt, jetzt treten auch Hans und Margaretha hinzu.
CONRAD.
Wo bleibt der Küster denn?
CASPAR.
Noch immer krank.
Ihr meint doch Drago?
CONRAD.
Wen wohl sonst, als ihn,
Der sichs zur Essenszeit nicht nehmen läßt,
Uns vorzubeten.
BALTHASAR.
Wenn der Narr nicht kommt,
So ist er mehr, als krank noch, ist halb tot.
Er stand schon mitten aus dem Fieber auf
Und sprach den Segen zähneklappernd her.
CASPAR.
Was spottet Ihr? Es ist sein Amt im Schloß,
Von seinem Vater hat er es geerbt,
Sein Ältervater hat es schon versehn.
Wenn Ihr vergönnt, so bet ich heut für ihn.
Caspar faltet die Hände, alle übrigen tun es auch, nur Margaretha nicht.
CASPAR betet.
Gott segne unser Brot und Wein,
Laß es dem Braven wohl gedeihn,
Doch dem, der Böses sinnt und schafft
Dem stärk es dazu nicht die Kraft.
Sie wollen sich setzen.
HANS.
Ein stumm Gebet für eine Seele noch,
Für eine arme Seele!
Sie beten still, dann setzen sie sich.
HANS zu Conrad.
Trinke mit
Von meinem Wein, und iß von meinem Brot!
CONRAD.
Das tu ich gern. Wer mir zu leben gibt,
Der zeigt mir, daß er mir das Leben gönnt.
CASPAR.
Das ist der Grund, weshalb man trinken muß,
Wenn man entzweit war, und sich dann versöhnt.
HANS für sich.
Ein Mord ist wohl genug. Dem zweiten war[142]
Ich heute nah. Ich mag nicht essen. Faust,
Du bist schon röter, als du sein sollst.
CONRAD.
Wars
Für Euren Vater, das Gebet? Mir hats
Gefallen, daß Ihr fromm seid.
HANS.
Nein! Nein! Nein!
Auch nicht für meine Mutter.
Er pfeift.
KLAUS erwacht.
Ja?
HANS.
Schlaf zu!
Dir gilts nicht immer, Klaus, wenn einer pfeift.
CONRAD am Tisch.
Der Graf! Der edle Graf! Er lebe hoch!
Sie stoßen an.
CASPAR.
Herr Hof- und Schloß-Verwalter, hört Ihr nicht?
Es gilt dem Herrn!
GOLO.
So? Nun, da trinkt man mit!
Er geht langsam auf den Tisch zu.
KATHARINA kommt und macht Golo ein Zeichen.
GOLO.
Doch fürcht ich sehr, wir müssen mehr für ihn
Heut nacht noch tun, als daß wir trinken!
Alle werden aufmerksam.
GOLO zu Katharina.
Nun?
Du bliebst ja lange!
KATHARINA.
Sohn, ich zittre sehr!
Es ist doch Sünd!
GOLO.
Die größte auf der Welt!
Allein, was hilfts? Hat Drago sich versteckt?
KATHARINA.
Ja, Sohn!
GOLO.
Und sie?
KATHARINA.
Ist krank und zieht sich aus.
MARGARETHA.
Sie zieht sich aus? Da hat man, was man braucht!
GOLO tritt zum Tisch.
Ihr Leute, hört!
CASPAR.
Du ewger Gott! Was ists?
GOLO zu Katharina.
Sprich du!
Er setzt sich nieder.
MARGARETHA.
Ja, tus. Ihr aber – glaubt ihr nicht,
Auch ihm, auch mir nicht, nur euch selber glaubt![143]
Vielleicht ists Augentrug. Drum rat ich: geht
Und überzeugt euch!
KLAUS spricht die Worte nach.
Trug – drum – rat – ich – geht –
Und
Schnell.
Überzeugt euch!
HANS zu Klaus.
Schweig!
KLAUS spricht nach.
Schweig!
HANS will ihn fortjagen.
Fort, du Narr!
CONRAD.
Laßt doch den Klaus, er hört schon wieder auf!
KLAUS spricht nach.
Laßt doch den Klaus, er hört schon wieder auf!
CONRAD.
Hört er die Hunde bellen, bellt er mit,
Und hört er Menschen reden, spricht ers nach,
Weil ihms an Worten, wie Gedanken fehlt!
Doch, gleich ermüdet, schläft er wieder ein.
BALTHASAR.
Wir stehen alle starr. Herr Golo, sprecht:
Was ists?
HANS.
Ein Mord?
CASPAR.
Die Gräfin starb doch nicht?
Ists das? Du armer Graf! Dann trinken wir
Ein ander Mal auf deinen Tod!
MARGARETHA zu Katharina.
Sprich! Sprich!
Dein Sohn, du siehst es, ist zu sehr bewegt.
Das redliche Gemüt! Ihn greift es an,
Als wärs ihm selbst geschehn! Das ist doch Treu!
Ja, Menschen gibts, wie Edelsteine.
Heimlich zu Katharina.
Sprich!
Sein Kopf steht auf dem Spiel, verrät er sich.
Zu den andern.
Kein Mord! Kein Todesfall! Bloß Ehebruch!
Die Krankheit und die Unschuld paarten sich
In süßer Sünde!
KATHARINA.
Ja, die Gräfin liegt
In Dragos Armen!
MARGARETHA.
Oder lag darin!
CONRAD.
Das ist doch wohl nicht wahr!
CASPAR zu Katharina.
Weib, kennt ich dich
Als lügenhaft – drei Finger gäb ich drum![144]
BALTHASAR.
Je nun, warum nicht? Aber, find ich auch
Die Tat begreiflich – niemals den Geschmack!
Der Drago, ei – –
Auf Golo deutend.
Das wär ein andrer Mann!
GOLO springt auf
Was soll das heißen?
BALTHASAR.
Nichts!
Zu Margaretha.
Der ist noch jung!
CASPAR wild.
Ich glaubs nicht, eh ichs sehe. Sehe ichs –
Er hebt drei Finger in die Höhe.
Ich schwör zu Gott, den Drago bring ich um,
Den Heuchler!
Zu Hans.
Leiht doch Euer Messer mir!
Mit rechten Dingen ging das nimmer zu,
Der Schurke gab ihr Zaubertränke ein.
Zu Golo.
Nun, Herr Verwalter? Euer Schmerz gereicht
Euch zwar zur Ehre, aber Euer Amt
Verlangt die Untersuchung. Geht voran!
MARGARETHA zu Caspar.
Ihr schwurt da –
CASPAR.
Was ich halte!
KATHARINA zu Golo.
Mach, mein Sohn!
Sie spricht zuweilen mit sich selbst! Wenn sies
Auch heute tät, und Drago –
GOLO.
Sei es denn!
Alle ab. Katharina und Balthasar mit Lichtern.
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