Vierte Szene

[502] HERODES.

Heut nicht! Doch morgen, oder übermorgen! –

Sie will mir nach dem Tode Gutes tun!

Spricht so ein Weib? Zwar weiß ichs, daß sie oft,

Wenn ich sie schön genannt, ihr Angesicht

Verzog, bis sie es nicht mehr war. Auch weiß ichs,

Daß sie nicht weinen kann, daß Krämpfe ihr,

Was andern Tränengüsse sind! Auch weiß ichs,

Daß sie mit ihrem Bruder kurz vorher,

Eh er im Bad den Tod fand, sich entzweit

Und dann die Unversöhnliche gespielt,

Ja, obendrein, als er schon Leiche war,

Noch ein Geschenk von ihm erhalten hat,

Das er beim Gang ins Bad für sie gekauft.

Und doch! Spricht so ein Weib in dem Moment,

Wo sie den, den sie liebt, und wenigstens

Doch lieben soll – – Sie kehrt nicht wieder um,

Wie einst, als ich – – Sie ließ kein Tuch zurück,

Das ihr als Vorwand – – Nein, sie kann es tragen,

Daß ich mit diesem Eindruck – – Wohl, es sei!

Nach Alexandria – ins Grab – Gleichviel!

Doch eins zuvor! Eins! Erd und Himmel, hörts!

Mir schwurst du nichts, dir will ich etwas schwören:

Ich stell dich unters Schwert. Antonius,

Wenn er mich deinetwegen fallen läßt,

Und deiner Mutter wegen tut ers nicht!

Soll sich betrügen, seis auch zweifelhaft,

Ob mir das Kleid, das mich im Sterben deckt,

Mit in der Grube folgt, weil mir ein Dieb

Es ja noch stehlen kann, du sollst mir folgen!

Das steht nun fest! Wenn ich nicht wiederkehre,

So stirbst du! Den Befehl laß ich zurück!

Befehl! Da stößt ein böser Punkt mir auf:[502]

Was sichert mich, daß man mir noch gehorcht,

Wenn man mich nicht mehr fürchtet? O, es wird

Sich einer finden, denk ich, der vor ihr

Zu zittern hat!


Quelle:
Friedrich Hebbel: Werke. Band 1–5, Band 1, München 1963, S. 502-503.
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