Fünfte Szene

[503] EIN DIENER.

Dein Schwäher!

HERODES.

Ist willkommen!

Das ist mein Mann! Dem reiche ich mein Schwert

Und hetz ihn dann durch Feigheit in den Mut

So tief hinein, bis er es braucht, wie ich!

JOSEPH tritt ein.

Ich höre, daß du gleich nach Alexandrien

Zu gehen denkst, und wollte Abschied nehmen!

HERODES.

Abschied! Vielleicht auf Nimmerwiedersehn!

JOSEPH.

Auf Nimmerwiedersehn?

HERODES.

Es könnte sein!

JOSEPH.

Ich sah dich nie, wie jetzt!

HERODES.

Das sei dir Bürge,

Das es noch nie so mit mir stand, wie jetzt!

JOSEPH.

Wenn du den Mut verlierst –

HERODES.

Das werd ich nicht,

Denn, was auch kommt, ich trag es, doch die Hoffnung

Verläßt mich, daß was Gutes kommen kann.

JOSEPH.

So wollte ich, ich wäre blind gewesen

Und hätte Alexandras Heimlichkeiten

Nie aufgespürt!

HERODES.

Das glaube ich dir gern!

JOSEPH.

Denn hätte ich das Bildnis nicht entdeckt,

Das sie vom Aristobolus geheim

Für den Antonius malen ließ, und hätt ich

Ihr Botensenden an Cleopatra

Nicht ausgespäht, und noch zuletzt den Sarg,

Der sie und ihren Sohn verbarg, im Hafen

Nicht angehalten und die Flucht verhindert,

Die schon begonnen war –

HERODES.

Dann hätte sie

Dir nichts zu danken, und mit Ruhe könntest

Du ihre Tochter auf dem Throne sehn,[503]

Den sie, die kühne Makkabäerin,

Gewiß besteigt, wenn ich nicht wiederkehre,

Und wenn vor ihr kein andrer ihn besetzt.

JOSEPH.

So mein ichs nicht. Ich meine, manches wär

Dann unterblieben!

HERODES.

Manches! Allerdings!

Doch manches andre wär dafür gekommen.

Das gilt nun gleich. – Du zähltest vieles auf,

Eins hast du noch vergessen!

JOSEPH.

Und das wäre?

HERODES.

Du warst doch mit im Bade, als –

JOSEPH.

Ich wars!

HERODES.

Du rangst doch auch mit ihm?

JOSEPH.

Im Anfang. Ja.

HERODES.

Nun denn!

JOSEPH.

In meinen Armen hat der Schwindel

Ihn nicht erfaßt, und wäre es geschehn,

So hätt ich ihn gerettet, oder er

Mich mit hinabgezogen in den Grund.

HERODES.

Ich zweifle nicht daran. Doch wirst du wissen,

Daß keiner, der dabei war, anders spricht,

Und da der böse Zufall will, daß du

Ihn nicht bloß hinbegleitet, sondern auch

Mit ihm gerungen hast –

JOSEPH.

Was hältst du ein?

HERODES.

Mein Joseph, du und ich, wir alle beide

Sind hart verklagt!

JOSEPH.

Ich auch?

HERODES.

Mein Schwäher freilich

Nicht bloß, auch mein vertrauter Freund bist du!

JOSEPH.

Des schmeichl ich mir!

HERODES.

O, wärst dus nie gewesen,

Hätt ich, wie Saul, den Spieß nach dir geworfen,

Könntst du durch Todeswunden das beweisen,

Dir wäre besser, die Verleumdung hätte

Kein gläubig Ohr gefunden, und du würdest

Für eine Bluttat, die du nicht begingst,

Auch nicht enthauptet werden![504]

JOSEPH.

Ich? Enthauptet?

HERODES.

Das ist dein Los, wenn ich nicht wiederkehre

Und Mariamne –

JOSEPH.

Aber ich bin schuldlos!

HERODES.

Was hilft es dir? Der Schein ist gegen dich!

Und sind denn nicht, gesetzt, daß man dir glaubte,

Die vielen, vielen Dienste, die du mir

Erwiesen hast, in Alexandras Augen

So viel Verbrechen gegen sie? Wird sie

Nicht denken: Hätte der mich fliehen lassen,

So lebte noch, der jetzt im Grabe liegt?

JOSEPH.

Wahr! Wahr!

HERODES.

Kann sie denn nicht mit einer Art

Von Recht dein Leben für ein andres fodern,

Das sie durch deine Schuld verloren glaubt,

Und wird sies nicht durch ihre Tochter tun?

JOSEPH.

O Salome! Das kommt von jenem Gang

Zum Maler! Jahr für Jahr will sie von mir

Ein neues Bild!

HERODES.

Ich weiß, wie sie dich liebt!

JOSEPH.

Ach, wär es weniger, so stünd es besser!

Hätt ich das Bild des Aristobolus

Entdeckt, wenn ich – Nun kann sie denn ja bald

Mein letztes haben, ohne Kopf!

HERODES.

Mein Joseph,

Den Kopf verteidigt man!

JOSEPH.

Wenn du den deinen

Verloren gibst?

HERODES.

Das tu ich doch nur halb,

Ich werd ihn dadurch noch zu retten suchen,

Daß ich ihn selbst, freiwillig, in den Rachen

Des Löwen stecke!

JOSEPH.

Einmal glückt' es dir!

Als dich die Pharisäer –

HERODES.

Jetzt stehts schlimmer,

Doch, was mit mir auch werde, dein Geschick

Will ich in deine eignen Hände legen:

Du warst schon stets ein Mann, sei jetzt ein König![505]

Ich hänge dir den Purpurmantel um

Und reiche dir den Zepter und das Schwert,

Halts fest und gib es nur an mich zurück!

JOSEPH.

Versteh ich dich?

HERODES.

Und daß du den Besitz

Des Throns dir und mit ihm dein Leben sicherst,

So töte Mariamne, wenn du hörst,

Daß ich nicht wiederkehre.

JOSEPH.

Mariamne?

HERODES.

Sie ist das letzte Band, das Alexandra

Noch mit dem Volk verknüpft, seit ihr der Fluß

Den Sohn erstickte, ist der bunte Helmbusch,

Den die Empörung tragen wird, wenn sie

Sich gegen dich erhebt –

JOSEPH.

Doch Mariamne!

HERODES.

Du staunst, daß ich – Ich will nicht heucheln, Joseph!

Mein Rat ist gut, ist gut für dich, bedarfs

Der Worte noch? Doch geb ich dir ihn freilich

Nicht deinetwegen bloß – Gradaus, ich kanns

Nicht tragen, daß sie einem andern jemals –

Das wär mir bittrer, als – Sie ist zwar stolz –

Doch nach dem Tod – Und ein Antonius –

Und dann vor allem diese Schwiegermutter,

Die Toten gegen Toten hetzen wird – –

Du mußt mich fassen!

JOSEPH.

Aber –

HERODES.

Hör mich aus!

Sie ließ mich hoffen, daß sie selbst den Tod

Sich geben würde, wenn ich – Eine Schuld

Darf man doch einziehn lassen, wie? – Man darf

Selbst mit Gewalt – Was meinst du?

JOSEPH.

Nun, ich glaube!

HERODES.

Versprich mir denn, daß du sie töten willst,

Wenn sie sich selbst nicht tötet! Übereils nicht,

Doch säum auch nicht zu lange! Geh zu ihr,

Sobald mein Bote, denn ich schicke einen,

Dir meldet, daß es mit mir aus ist, sags ihr

Und sieh, ob sie zu einem Dolche greift,[506]

Ob sie was andres tut. Versprichst dus?

JOSEPH.

Ja!

HERODES.

Ich lasse dich nicht schwören, denn man ließ

Noch keinen schwören, daß er eine Schlange

Zertreten wolle, die den Tod ihm droht.

Er tuts von selbst, wenn er bei Sinnen bleibt,

Da er das Essen und das Trinken eher

Gefahrlos unterlassen kann, als dies.

JOSEPH macht eine Bewegung.

HERODES.

Ich kenn dich ja! Und dem Antonius

Werd ich dich als den einzigen empfehlen,

Dem er vertrauen darf. Du wirst ihm das

Dadurch beweisen, daß die Blutsverwandte

Dir nicht zu heilig ist, um sie zu opfern,

Wenn es Empörung zu ersticken gilt.

Denn dies ist der Gesichtspunkt für die Tat,

Aus dem du ihm sie zeigen mußt. Ihr wird

Ein Straßen-Auflauf folgen, und du meldest

Ihm, daß ein Aufruhr ihr vorher gegangen,

Und nur durch sie bezwungen worden sei.

Was dann das Volk betrifft, so wird es schaudern,

Wenn es dein blutges Schwert erblickt, und mancher

Wird sprechen: Diesen kannt ich doch nur halb!

Und jetzt –

JOSEPH.

Ich seh dich noch! Und nicht bloß heut,

Ich weiß gewiß, du kehrst, wie sonst, zurück.

HERODES.

Unmöglich ist es nicht, darum noch eins! – –


Lange Pause.


Ich schwur jetzt etwas in Bezug auf dich!


Er schreibt und siegelt.


Hier stehts! Nimm dieses Blatt versiegelt hin!

Du siehst, die Aufschrift lautet –

JOSEPH.

An den Henker!

HERODES.

Ich halte dir, was ich dir drin versprach,

Wenn du vielleicht ein Stück von einem König

Erzählen solltest, der –

JOSEPH.

Dann gib mir auf,

Dies Blatt dem Henker selbst zu überreichen!


Ab.[507]


Quelle:
Friedrich Hebbel: Werke. Band 1–5, Band 1, München 1963, S. 503-508.
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