Zweite Szene

[536] Mariamne tritt auf.


HERODES.

Wirf dich nieder

Vor ihr, die du vor so viel Zeugen kränktest,

Dann tu ichs nicht!

SALOME.

Ha!

ALEXANDRA.

Was bedeutet das?

HERODES.

Nun, Mariamne?

MARIAMNE.

Was befiehlt der König?

Ich bin entboten worden und erschien!

ALEXANDRA.

Ist dies das Weib, das schwur, sich selbst zu töten,

Wenn er nicht wiederkehrte?

HERODES.

Dies dein Gruß?[536]

MARIAMNE.

Der König ließ mich rufen, ihn zu grüßen?

Ich grüße ihn! Da ist das Werk vollbracht!

ALEXANDRA.

Du irrst dich sehr! Du stehst hier vor Gericht!

HERODES.

Man wollte dich verklagen! Eh ich noch

Die Klage angehört, ließ ich dich bitten,

Hieherzukommen, aber wahrlich nicht,

Daß du dich gegen sie verteidigtest,

Nur, weil ich glaube, daß sie in sich selbst

Ersticken wird vor deiner Gegenwart!

MARIAMNE.

Um das zu hindern, sollt ich wieder gehn!

HERODES.

Wie, Mariamne? Nie gehörtest du

Zu jenen Seelen jammervoller Art,

Die, wie sie eben Antlitz oder Rücken

Des Feindes sehn, verzeihn und wieder grollen,

Weil sie zu schwach für einen echten Haß

Und auch zu klein für volle Großmut sind.

Was hat dich denn im tiefsten so verwandelt,

Daß du dich ihnen jetzt noch zugesellst?

Du hast doch, als ich schied, ein Lebewohl

Für mich gehabt; dies, deucht mir, gab mir Anspruch

Auf dein Willkommen, und du weigerst das?

Du stehst so da, als lägen Berg und Tal

Noch zwischen uns, die uns so lange trennten?

Du trittst zurück, wenn ich mich nähern will?

So ist dir meine Wiederkunft verhaßt?

MARIAMNE.

Wie sollte sie? Sie gibt mir ja das Leben

Zurück!

HERODES.

Das Leben? Welch ein Wort ist dies!

MARIAMNE.

Du wirst nicht leugnen, daß du mich verstehst!

HERODES für sich.

Kann sies denn wissen?


Zu Mariamne.


Komm!


Da Mariamne nicht folgt.


Laßt uns allein!


Zu Alexandra.


Du wirst verzeihn!

ALEXANDRA.

Gewiß!


Ab. Alle andern folgen ihr.


MARIAMNE.

So feig!

HERODES.

So feig?[537]

MARIAMNE.

Und auch – Wie nenn ichs nur?

HERODES.

Und auch? –


Für sich.


Das wär

Entsetzlich! Nimmer löscht ichs in ihr aus!

MARIAMNE.

Ob ihm sein Weib ins Grab freiwillig folgt,

Ob sie des Henkers Hand hinunterstößt –

Ihm gleich, wenn sie nur wirklich stirbt! Er läßt

Zum Opfertod ihr nicht einmal die Zeit!

HERODES.

Sie weiß es!

MARIAMNE.

Ist Antonius denn ein Mensch,

Wie ich bisher geglaubt, ein Mensch, wie du,

Oder ein Dämon, wie du glauben mußt,

Da du verzweifelst, ob in meinem Busen

Noch ein Gefühl von Pflicht, ein Rest von Stolz

Ihm widerstehen würde, wenn er triefend

Von deinem Blut als Freier vor mich träte

Und mich bestürmte, ihm die Zeit zu kürzen,

Die die Ägypterin ihm übrig läßt?

HERODES.

Doch wie? Doch wie?

MARIAMNE.

Er müßte dich ja doch

Getötet haben, eh er werben könnte,

Und wenn du selbst dich denn – ich hätt es nie

Gedacht, allein ich sehs! – so nichtig fühlst,

Daß du verzagst, in deines Weibes Herzen

Durch deines Männer-Wertes Vollgehalt

Ihn aufzuwägen, was berechtigt dich,

Mich so gering zu achten, daß du fürchtest,

Ich wiese selbst den Mörder nicht zurück?

O Doppelschmach!

HERODES ausbrechend.

Um welchen Preis erfuhrst

Du dies Geheimnis? Wohlfeil war es nicht!

Mir stand ein Kopf zum Pfand!

MARIAMNE.

O Salome,

Du kanntest deinen Bruder! – Frage den,

Der mirs verriet, was er empfangen hat,

Von mir erwarte keine Antwort mehr!


Wendet sich.


HERODES.

Ich zeig dir gleich, wie ich ihn fragen will!

Soemus![538]


Quelle:
Friedrich Hebbel: Werke. Band 1–5, Band 1, München 1963, S. 536-539.
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