Fünfte Szene

[542] SOEMUS.

Das blutge Werk

Ist abgetan! Doch ganz Jerusalem

Steht starr und fragt, warum der Mann, den du

Zu deinem Stellvertreter machtest, als du

Von hinnen zogst, bei deiner Wiederkehr

Den Kopf verlieren mußte!

SALOME taumelt.

Wehe mir!

MARIAMNE will sie auffangen.

SALOME.

Fort! Fort!


Zu Herodes.


Und die?

HERODES.

Gib dich zufrieden, Schwester!

Dein Gatte hat mich fürchterlich betrogen –

SALOME.

Und die?

HERODES.

Nicht so, wie du es meinst –

SALOME.

Nicht so?

Wie denn? Sie willst du retten? Wenn mein Gatte

Dich fürchterlich betrog, so tat sies auch,

Denn wahr ist, was ich sagte, und ein jeder

Solls wissen, der es noch nicht weiß! Du sollst

In ihrem Blut dich waschen, wie in seinem,

Sollst wirst du niemals wieder rein! Nicht so!

HERODES.

Bei allem, was mir heilig ist –

SALOME.

So nenne

Mir sein Verbrechen, wenn es das nicht war!

HERODES.

Wollt ich es nennen, würde ichs vergrößern!

Ich hatt ihm ein Geheimnis anvertraut,

An dem mein Alles hing, und dies Geheimnis[542]

Hat er verraten, soll auch ich das tun?

SALOME.

Elende Ausflucht, die mich schrecken wird!

Meinst du, daß du mich täuschen kannst? Du glaubst

An alles, was ich sagte, doch du bist

Zu schwach, um deine Liebe zu ersticken,

Und ziehst es vor, die Schande zu verhüllen,

Die du nicht tilgen magst. Doch wenn du mich,

Die Schwester, nicht, wie meinen Gatten tötest,

So wird dir das mißlingen!


Zu Mariamne.


Er ist tot,

Nun kannst du schwören, was du willst, er wird

Nicht widersprechen!


Ab.


HERODES.

Folg ihr nach, Soemus,

Und such sie zu begütigen! Du kennst sie,

Und ehmals hat sie gern auf dich gehört!

SOEMUS.

Die Zeiten sind vorüber! Doch, ich geh!


Ab.


MARIAMNE für sich.

Für den, der mich ermorden wollte, hätt ich

Wohl nicht gebeten! Dennoch schaudre ich,

Daß mir nicht einmal Zeit blieb, es zu tun!

HERODES für sich.

Er mußte doch daran! Im nächsten Krieg

Hätt er den Platz des Urias bekommen!

Und dennoch reut mich diese Eile jetzt!


Quelle:
Friedrich Hebbel: Werke. Band 1–5, Band 1, München 1963, S. 542-543.
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