Sechste Szene

[543] EIN BOTE tritt auf.

Mich schickt Antonius!

HERODES.

So weiß ich auch,

Was du mir bringst. Ich soll mich fertig machen,

Der große Kampf, von dem er sprach, beginnt!

BOTE.

Oktavianus hat nach Afrika

Sich eingeschifft, ihm eilt Antonius

Entgegen, mit Cleopatra vereint,

Um gleich bei Actium ihn zu empfangen –

HERODES.

Und ich, Herodes, soll der dritte sein!

Schon gut! Ich zieh noch heut! Soemus kann,

So schlecht es hier auch stehn mag, mich ersetzen.

Gut, daß er kam!

MARIAMNE.

Er zieht noch einmal fort!

Dank, Ewger, Dank![543]

HERODES sie beobachtend.

Ha!

BOTE.

Großer König, nein!

Er braucht dich nicht bei Actium, er will,

Daß du die Araber, die sich empörten,

Verhindern sollst, dem Feind sich anzuschließen!

Das ist der Dienst, den er von dir verlangt.

HERODES.

Er hat den Platz, wo ich ihm nützen kann,

Mir anzuweisen!

MARIAMNE.

Noch einmal! Das löst

Ja alles wieder!

HERODES wie vorher.

Wie mein Weib sich freut!


Zum Boten.


Sag ihm – Du weißts ja schon! –


Für sich.


Die Stirn entrunzelt,

Die Hände, wie zum Dankgebet, gefaltet –

Das ist ihr Herz!

BOTE.

Sonst hast du nichts für mich?

MARIAMNE.

Jetzt werd ichs sehn, obs bloß ein Fieber war,

Das Fieber der gereizten Leidenschaft,

Das ihn verwirrte, oder ob sich mir

In klarer Tat sein Innerstes verriet!

Jetzt werd ichs sehn!

HERODES zum Boten.

Nichts! Nichts!

BOTE ab.

HERODES zu Mariamne.

Dein Angesicht

Hat sich erheitert! Aber hoffe nicht

Zu viel! Man stirbt nicht stets in einem Krieg,

Aus manchem kehrt ich schon zurück!

MARIAMNE will reden, unterbricht sich aber.

Nein! Nein!

HERODES.

Zwar gilt es diesmal einen hitz'gern Kampf,

Wie jemals, alle andern Kämpfe wurden

Um etwas in der Welt geführt, doch dieser

Wird um die Welt geführt, er soll entscheiden,

Wer Herr der Welt ist, ob Antonius,

Der Wüst- und Lüstling, oder ob Octav,

Der sein Verdienst erschöpft, sobald er schwört,

Daß er noch nie im Leben trunken war,[544]

Da wird es Streiche setzen, aber dennoch

Ists möglich, daß dein Wunsch sich nicht erfüllt,

Und daß der Tod an mir vorübergeht!

MARIAMNE.

Mein Wunsch! Doch wohl! Mein Wunsch! So ist es gut!

Halt an dich, Herz! Verrat dich nicht! Die Probe

Ist keine, wenn er ahnt, was dich bewegt!

Besteht er sie, wie wirst du selbst belohnt,

Wie kannst du ihn belohnen! Laß dich denn

Von ihm verkennen! Prüf ihn! Denk ans Ende

Und an den Kranz, den du ihm reichen darfst,

Wenn er den Dämon überwunden hat!

HERODES.

Ich danke dir! Du hast mir jetzt das Herz

Erleichtert! Mag ich auch an deiner Menschheit

Gefrevelt haben, das erkenn ich klar,

An deiner Liebe frevelte ich nicht!

Drum bettle ich denn auch bei deiner Liebe

Nicht um ein letztes Opfer mehr, doch hoff ich,

Daß du mir eine letzte Pflicht erfüllst.

Ich hoffe das nicht meinetwegen bloß,

Ich hoff es deinetwegen noch viel mehr,

Du wirst nicht wollen, daß ich dich nur noch

Im Nebel sehen soll, du wirst dafür,

Daß ich den Mund des Toten selbst verschloß,

Den deinen öffnen und es mir erklären,

Wie's kam, daß er den Kopf an dich verschenkte,

Du wirst es deiner Menschheit wegen tun,

Du wirst es tun, weil du dich selber ehrst!

MARIAMNE.

Weil ich mich selber ehre, tu ichs nicht!

HERODES.

So weigerst du mir selbst, was billig ist?

MARIAMNE.

Was billig ist! So wär es also billig,

Daß ich, auf Knieen vor dir niederstürzend,

Dir schwüre: Herr, dein Knecht kam mir nicht nah!

Und daß dus glauben kannst – denn auf Vertraun

Hab ich kein Recht, wenn ich dein Weib auch bin –

So hör noch dies und das! O pfui! pfui!

Herodes, nein! Fragt deine Neugier einst,

So antwort ich vielleicht! Jetzt bin ich stumm![545]

HERODES.

Wär deine Liebe groß genug gewesen,

Mir alles zu verzeihn, was ich aus Liebe

Getan, ich hätt dich niemals so gefragt!

Jetzt, da ich weiß, wie klein sie ist, jetzt muß ich

Die Frage wiederholen, denn die Bürgschaft,

Die deine Liebe mir gewährt, kann doch

Nicht größer sein, wie deine Liebe selbst,

Und eine Liebe, die das Leben höher

Als den Geliebten schätzt, ist mir ein Nichts!

MARIAMNE.

Und dennoch schweig ich!

HERODES.

So verdamm ich mich,

Den Mund, der mir, zu stolz, nicht schwören will,

Daß ihn kein andrer küßte, selbst nicht mehr

Zu küssen, bis er es in Demut tut;

Ja, wenns ein Mittel gäbe, die Erinnrung

An dich in meinem Herzen auszulöschen,

Wenn ich, indem ich beide Augen mir

Durchstäche und die Spiegel deiner Schönheit

Vertilgte, auch dein Bild vertilgen könnte,

In dieser Stunde noch durchstäch ich sie.

MARIAMNE.

Herodes, mäßge dich! Du hast vielleicht

Gerade jetzt dein Schicksal in den Händen

Und kannst es wenden, wie es dir gefällt!

Für jeden Menschen kommt der Augenblick,

In dem der Lenker seines Sterns ihm selbst

Die Zügel übergibt. Nur das ist schlimm,

Daß er den Augenblick nicht kennt, daß jeder

Es sein kann, der vorüberrollt! Mir ahnt,

Für dich ists dieser! Darum halte ein!

Wie du dir heut die Bahn des Lebens zeichnest,

Mußt du vielleicht sie bis ans Ende wandeln:

Willst du das tun im wilden Rausch des Zorns?

HERODES.

Ich fürchte sehr, du ahnst nur halb das Rechte,

Der Wendepunkt ist da, allein für dich!

Denn ich, was will ich denn? Doch nur ein Mittel,

Womit ich böse Träume scheuchen kann!

MARIAMNE.

Ich will dich nicht verstehn! Ich hab dir Kinder

Geboren! Denk an die![546]

HERODES.

Wer schweigt, wie du,

Weckt den Verdacht, daß er die Wahrheit nicht

Zu sagen wagt und doch nicht lügen will.

MARIAMNE.

Nicht weiter!

HERODES.

Nein, nicht weiter! Lebe wohl!

Und wenn ich wiederkehre, zürne drob

Nicht allzusehr!

MARIAMNE.

Herodes!

HERODES.

Sei gewiß,

Ich werde dir nicht wieder so, wie heute,

Den Gruß entpressen!

MARIAMNE.

Nein, es wird nicht wieder

Vonnöten sein!


Gen Himmel.


Lenk, Ewiger, sein Herz!

Ich hatt ihm ja den Brudermord verziehn,

Ich war bereit, ihm in den Tod zu folgen,

Ich bin es noch, vermag ein Mensch denn mehr?

Du tatest, was du nie noch tatst, du wälztest

Das Rad der Zeit zurück: es steht noch einmal,

Wie es vorher stand; laß ihn anders denn

Jetzt handeln, so vergeß ich, was geschehn;

Vergeß es so, als hätte er im Fieber

Mit seinem Schwert mir einen Todesstreich

Versetzt und mich genesend selbst verbunden.


Zu Herodes.


Seh ich dich noch?

HERODES.

Wenn du mich kommen siehst,

So ruf nach Ketten! Das sei dir Beweis,

Daß ich verrückt geworden bin!

MARIAMNE.

Du wirst

Dies Wort bereun! – Halt an dich, Herz! – Du wirst!


Ab.


HERODES.

Wahr ists, ich ging zu weit. Das sagte ich

Mir unterwegs schon selbst. Doch wahr nicht minder,

Wenn sie mich liebte, würde sies verzeihn!

Wenn sie mich liebte! Hat sie mich geliebt?

Ich glaub es. Aber jetzt – Wie sich der Tote

Im Grabe noch zu rächen weiß! Ich schaffte

Ihn fort, um meine Krone mir zu sichern,[547]

Er nahm, was mehr wog, mit hinweg: ihr Herz!

Denn seltsam hat sie, seit ihr Bruder starb,

Sich gegen mich verändert, niemals fand

Ich zwischen ihr und ihrer Mutter noch

Die kleinste Spur von Ähnlichkeit heraus,

Heut glich sie ihr in mehr als einem Zug,

Drum kann ich ihr nicht mehr vertraun, wie sonst!

Das ist gewiß! Doch, muß es darum auch

Sogleich gewiß sein, daß sie mich betrog?

Die Bürgschaft, die in ihrer Liebe lag,

Ist weggefallen, aber eine zweite

Liegt noch in ihrem Stolz, und wird ein Stolz,

Der es verschmäht, sich zu verteidigen,

Es nicht noch mehr verschmähn, sich zu beflecken?

Zwar weiß sies! Joseph! Warum kann der Mensch

Nur töten, nicht die Toten wieder wecken,

Er sollte beides können, oder keins!

Der rächt sich auch! Er kommt nicht! Dennoch seh ich

Ihn vor mir! »Du befiehlst?« – Es ist unmöglich!

Ich wills nicht glauben! Schweig mir, Salome!

Wie es auch kam, so kam es nicht! Vielleicht

Fraß das Geheimnis, wie verschlucktes Feuer,

Von selbst sich bei ihm durch. Vielleicht verriet ers,

Weil er mich für verloren hielt und nun

Mit Alexandra sich versöhnen wollte,

Bevor die Kunde kam. Wir werden sehn!

Denn prüfen muß ich sie! Hätt ich geahnt,

Daß sies erfahren könnte, nimmer wär ich

So weit gegangen. Jetzt, da sie es weiß,

Jetzt muß ich weiter gehn! Denn, nun sies weiß,

Nun muß ich das von ihrer Rache fürchten,

Was ich von ihrer Wankelmütigkeit

Vielleicht mit Unrecht fürchtete, muß fürchten,

Daß sie auf meinem Grabe Hochzeit hält!

Soemus kam zur rechten Zeit. Er ist

Ein Mann, der, wär ich selbst nicht auf der Welt,

Da stünde, wo ich steh. Wie treu er denkt,

Wie eifrig er mir dient, beweist sein Kommen.[548]

Ihm geb ich jetzt den Auftrag! Daß sie nichts

Aus ihm herauslockt, weiß ich, wenn sie ihn

Auf Menschenart versucht! – Verrät er mich,

So zahlt sie einen Preis, der – Salome,

Dann hast du recht gehabt! – Es gilt die Probe!


Ab.


Quelle:
Friedrich Hebbel: Werke. Band 1–5, Band 1, München 1963, S. 543-549.
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