Dritte Szene

[552] SOEMUS kommt.

Verzeiht!

MARIAMNE.

Ich wollte

Dich eben rufen lassen! Tritt heran!

SOEMUS.

Das wär zum ersten Mal geschehn![552]

MARIAMNE.

Ja wohl!

SOEMUS.

Du wichst mir aus bisher!

MARIAMNE.

Hast du mich denn

Gesucht, und hast du was an mich zu suchen?

Ich mags nicht denken!

SOEMUS.

Wenigstens das eine:

Sieh mich als deinen treusten Diener an!

MARIAMNE.

Das tat ich, doch ich tus nicht mehr!

SOEMUS.

Nicht mehr?

MARIAMNE.

Wie kannst du dem Empörer, den Herodes

Gefangensetzen ließ, den Kerker öffnen?

Ist er noch König, oder ist ers nicht?

SOEMUS.

Die Antwort ist so leicht nicht, wie du glaubst!

MARIAMNE.

Fällt sie dir schwer, so wirst dus büßen müssen!

SOEMUS.

Du weißt noch nichts von der verlornen Schlacht!

MARIAMNE.

Die Schlacht bei Actium, sie wär verloren?

SOEMUS.

Antonius fiel von seiner eignen Hand!

Cleopatra desgleichen!

ALEXANDRA.

Hätte die

Den Mut gehabt? Sie konnte sonst ein Schwert

Nicht einmal sehn und schauderte vor seinem

Zurück, da er es ihr als Spiegel vorhielt!

SOEMUS.

Dem Hauptmann Titus ward es so gemeldet!

Octavianus flucht, daß man es nicht

Verhindert hat! Ich selber las den Brief!

MARIAMNE.

Dann hat der Tod auf lange Zeit sein Teil,

Und jedes Haupt steht fester, als es stand,

Eh das geschah!

SOEMUS.

Meinst du?

MARIAMNE.

Du lächelst seltsam!

SOEMUS.

Du kennst, wie's scheint, Octavianus nicht!

Der wird den Tod nicht fragen, ob ihn ekle,

Er wird ihm aus den Freunden des Antonius

Noch eine Mahlzeit richten, und auch die

Wird nicht ganz arm an leckern Bissen sein!

MARIAMNE.

Gilt das Herodes?

SOEMUS.

Nun, wenn er das hält,

Was er sich vornahm –[553]

MARIAMNE.

Was war das?

SOEMUS.

Er sprach:

Ich liebe den Antonius nicht mehr,

Ich hasse ihn weit eher, doch ich werde

Ihm beistehn bis zum letzten Augenblick,

Obgleich ich fürchte, daß er fallen muß.

Ich bins mir selber schuldig, wenn nicht ihm!

MARIAMNE.

Echt königlich!

SOEMUS.

Gewiß! Echt königlich!

Nur ist Octav der Mann nicht, ders bewundert,

Und tut Herodes das –

MARIAMNE.

Wer wagt, zu zweifeln?

SOEMUS.

So ist er auch verloren, oder arg

Hat man Octavian beleidigt, als man

Die große Schlächterei nach Cäsars Tod

Auf seine Rechnung setzte!

MARIAMNE.

Daß du fest

An diesen Ausgang glaubst, daß du Herodes

Schon zu den Toten zählst, ist klar genug.

Sonst hättst du nicht gewagt, was du gewagt.

Auch schauderts mir, ich will es dir gestehn,

Vor deiner Zuversicht, du bist kein Tor,

Und wagst gewiß nicht ohne Grund so viel.

Doch, wie's auch stehen möge, immer bin

Ich selbst noch da, und ich, ich will dir zeigen,

Daß ich ihm auch im Tode noch Gehorsam

Zu schaffen weiß, es soll nicht ein Befehl,

Den er gegeben, unvollzogen bleiben,

Das soll sein Totenopfer sein!

SOEMUS.

Nicht einer?

Ich zweifle, Königin! –


Für sich.


Jetzt falle, Schlag!

MARIAMNE.

So wahr ich Makkabäerin, du schickst

Den Sameas zurück in seinen Kerker!

SOEMUS.

Wie du es willst, so wirds geschehn, und wenn

Du mehr willst, wenn er sterben soll, wie's ihm

Der König drohte, sprich, und er ist tot!

Doch nun gestatte eine Frage mir:

Soll ich auch dich, damit das Totenopfer,[554]

Das du zu bringen denkst, vollkommen sei,

Soll ich auch dich mit meinem Schwert durchstoßen?

Ich hab auch dazu den Befehl von ihm!

MARIAMNE.

Weh!

ALEXANDRA.

Nimmermehr!

MARIAMNE.

So ist das Ende da!

Und welch ein Ende! Eins, das auch den Anfang

Verschlingt und alles! Die Vergangenheit

Löst, wie die Zukunft, sich in nichts mir auf!

Ich hatte nichts, ich habe nichts, ich werde

Nichts haben! War denn je ein Mensch so arm!

ALEXANDRA.

Welch eine Missetat du vom Herodes

Mir auch berichten mögtest, jede glaubt ich,

Doch diese –

MARIAMNE.

Zweifle nicht! Es ist gewiß!

ALEXANDRA.

So sprichst du selbst?

MARIAMNE.

O Gott, ich weiß, warum!

ALEXANDRA.

Dann wirst du wissen, was du tun mußt!

MARIAMNE.

Ja!


Sie zuckt den Dolch gegen sich.


ALEXANDRA sie verhindernd.

Wahnsinnige, verdient er das? Verdient ers,

Daß du den Henker an dir selber machst?

MARIAMNE.

Das war verkehrt! Ich danke dir! Dies Amt

Ersah er für sich selbst!


Sie schleudert den Dolch weg.


Versucher, fort!

ALEXANDRA.

Du wirst dich in der Römer Schutz begeben!

MARIAMNE.

Ich werde keinen, dem an sich was liegt,

Verhindern, das zu tun! – Ich selbst, ich gebe

Zur Nacht ein Fest!

ALEXANDRA.

Ein Fest?

MARIAMNE.

Und tanze dort! –

Ja, ja, das ist der Weg!

ALEXANDRA.

Zu welchem Ziel?

MARIAMNE.

He, Diener!


Diener kommen.


Schließt die Prunkgemächer auf[555]

Und ladet alles ein, was jubeln mag!

Steckt alle Kerzen an, die brennen wollen,

Pflückt alle Blumen ab, die noch nicht welkten,

Es ist nicht nötig, daß was übrig bleibt!


Zu Moses.


Du hast uns einst die Hochzeit ausgerichtet,

Heut gilts ein Fest, das die noch übertrifft,

Drum spare nichts!


Sie tritt vor.


Herodes, zittre jetzt!

Und wenn du niemals noch gezittert hast!

SOEMUS tritt zu ihr heran.

Ich fühle deinen Schmerz, wie du!

MARIAMNE.

Dein Mitleid

Erlaß ich dir! Du bist kein Henkersknecht,

Ich darf nicht zweifeln, denn du hasts gezeigt;

Doch dafür ein Verräter, und Verrätern

Kann ich nicht danken, noch sie um mich dulden,

Wie nützlich sie auch sind auf dieser Welt.

Denn das verkenn ich nicht! Wärst du der Mann

Gewesen, der du schienst, so hätte Gott

Ein Wunder tun, so hätte er der Luft

Die Zunge, die ihr mangelt, leihen müssen,

Das sah er gleich voraus, als er dich schuf,

Drum macht' er zu der Heuchler erstem dich!

SOEMUS.

Der bin ich nicht! Ich war Herodes' Freund,

Ich war sein Waffenbruder und Gefährte,

Eh er den Thron bestieg, ich war sein Diener,

Sein treuster Diener, seit er König ist.

Doch war ichs nur, solange er in mir

Den Mann zu ehren wußte und den Menschen,

Wie ich in ihm den Helden und den Herrn.

Das tat er, bis er, heuchlerisch die Augen

Zum ersten Mal unwürdig niederschlagend,

Den Blutbefehl mir gab, durch den er mich

Herzlos, wie dich, dem sichern Tode weihte,

Durch den er mich der Rache deines Volks,

Dem Zorn der Römer und der eignen Tücke[556]

Preisgab, wie dich der Spitze meines Schwerts.

Da hatt ich den Beweis, was ich ihm galt!

MARIAMNE.

Und drücktest du ihm deinen Abscheu aus?

SOEMUS.

Das tat ich nicht, weil ich dich schützen wollte!

Ich übernahms zum Schein, ich heuchelte,

Wenn dirs gefällt, damit er keinem andern

Den Auftrag gäbe und mich niederstäche;

Ein Galiläer hätt die Tat vollbracht!

MARIAMNE.

Ich bitt dir ab. Du stehst zu ihm, wie ich,

Du bist, wie ich, in deinem Heiligsten

Gekränkt, wie ich, zum Ding herabgesetzt!

Er ist ein Freund, wie er ein Gatte ist.

Komm auf mein Fest!


Ab.


ALEXANDRA.

So wartetest du auch auf deine Zeit,

Wie ich!

SOEMUS.

Auf meine Zeit? Wie meinst du das?

ALEXANDRA.

Ich sah es immer mit Verwundrung an,

Wie du vor diesem König, der der Laune

Des Römers seine Hoheit dankt, dem Rausch

Des Schwelgers, nicht dem Stamm und der Geburt,

Den Rücken bogst, als hättest dus, wie er,

Vergessen, daß du seinesgleichen bist;

Doch jetzt durchschau ich dich, du wolltest ihn

Nur sicher machen!

SOEMUS.

Darin irrst du dich!

Ich sprach in allem wahr. Für seinesgleichen

Halt ich mich nicht und werd es niemals tun!

Ich weiß, wie manchen Wicht es gibt, der ihm

Bloß darum, weil er nicht sein Enkel ist,

Mit Murren dient; ich weiß, daß andre ihm

Die Treu nur Mariamnens wegen halten:

Doch ich gehöre nicht zu dieser Schar,

Die lieber einem Kinderschwert gehorcht,

Wenns nur ererbt ward, als dem Heldenschwert,

Das aus dem Feuer erst geschmiedet wird.

Ich sah den Höhern immer schon in ihm

Und hob dem Waffenbruder seinen Schild,

Wenn er ihn fallen ließ, so willig auf,[557]

Wie je dem König seinen Herrscherstab!

Die Krone, wie das erste Weib: ich gönnte

Ihm beides, denn ich fühlte seinen Wert!

ALEXANDRA.

Du bist doch auch ein Mann!

SOEMUS.

Daß ich das nicht

Vergessen habe, das beweis ich jetzt!

So groß ist keiner, daß er mich als Werkzeug

Gebrauchen darf! Wer Dienste von mir fodert,

Die mich, vollbracht und nicht vollbracht, wie's kommt,

Schmachvoll dem sichern Untergange weihn,

Der spricht mich los von jeder Pflicht, dem muß

Ich zeigen, daß es zwischen Königen

Und Sklaven eine Mittelstufe gibt,

Und daß der Mann auf dieser steht!

ALEXANDRA.

Mir gilt

Es gleich, aus welchem Grund: genug, du tratst

Zu mir herüber!

SOEMUS.

Fürchte keinen Kampf mehr,

Er ist so gut, als tot! Octavian

Ist kein Antonius, der sich das Fleisch

Vom Leibe hacken läßt und es verzeiht,

Weil er die Hand bewundert, die das tut!

Er sieht nur auf die Streiche.

ALEXANDRA.

Was sagt Titus?

SOEMUS.

Der denkt, wie ich! Ich ließ den Sameas

Nur darum frei, weil ich zur Rechenschaft

Gezogen werden wollte. Konnt ich doch

Nicht anders an die Königin gelangen!

Jetzt weiß sie, was sie wissen muß, und ist

Der Todesbotschaft, wenn sie kommt, gewachsen.

Das war mein Zweck! Welch edles Weib! Die schlachten!

Es wär um ihre Tränen schad gewesen!

ALEXANDRA.

Gewiß, ein zärtlicher Gemahl! – Such sie

Nur zu bereden, daß sie sich dem Schutz

Der Römer übergibt, und komm aufs Fest,

Durch das sie mit Herodes bricht, er mag

Nun tot sein oder leben!


Ab.


SOEMUS ihr folgend.

Er ist tot![558]


Quelle:
Friedrich Hebbel: Werke. Band 1–5, Band 1, München 1963, S. 552-559.
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