[552] SOEMUS kommt.
Verzeiht!
MARIAMNE.
Ich wollte
Dich eben rufen lassen! Tritt heran!
SOEMUS.
Das wär zum ersten Mal geschehn![552]
MARIAMNE.
Ja wohl!
SOEMUS.
Du wichst mir aus bisher!
MARIAMNE.
Hast du mich denn
Gesucht, und hast du was an mich zu suchen?
Ich mags nicht denken!
SOEMUS.
Wenigstens das eine:
Sieh mich als deinen treusten Diener an!
MARIAMNE.
Das tat ich, doch ich tus nicht mehr!
SOEMUS.
Nicht mehr?
MARIAMNE.
Wie kannst du dem Empörer, den Herodes
Gefangensetzen ließ, den Kerker öffnen?
Ist er noch König, oder ist ers nicht?
SOEMUS.
Die Antwort ist so leicht nicht, wie du glaubst!
MARIAMNE.
Fällt sie dir schwer, so wirst dus büßen müssen!
SOEMUS.
Du weißt noch nichts von der verlornen Schlacht!
MARIAMNE.
Die Schlacht bei Actium, sie wär verloren?
SOEMUS.
Antonius fiel von seiner eignen Hand!
Cleopatra desgleichen!
ALEXANDRA.
Hätte die
Den Mut gehabt? Sie konnte sonst ein Schwert
Nicht einmal sehn und schauderte vor seinem
Zurück, da er es ihr als Spiegel vorhielt!
SOEMUS.
Dem Hauptmann Titus ward es so gemeldet!
Octavianus flucht, daß man es nicht
Verhindert hat! Ich selber las den Brief!
MARIAMNE.
Dann hat der Tod auf lange Zeit sein Teil,
Und jedes Haupt steht fester, als es stand,
Eh das geschah!
SOEMUS.
Meinst du?
MARIAMNE.
Du lächelst seltsam!
SOEMUS.
Du kennst, wie's scheint, Octavianus nicht!
Der wird den Tod nicht fragen, ob ihn ekle,
Er wird ihm aus den Freunden des Antonius
Noch eine Mahlzeit richten, und auch die
Wird nicht ganz arm an leckern Bissen sein!
MARIAMNE.
Gilt das Herodes?
SOEMUS.
Nun, wenn er das hält,
Was er sich vornahm –[553]
MARIAMNE.
Was war das?
SOEMUS.
Er sprach:
Ich liebe den Antonius nicht mehr,
Ich hasse ihn weit eher, doch ich werde
Ihm beistehn bis zum letzten Augenblick,
Obgleich ich fürchte, daß er fallen muß.
Ich bins mir selber schuldig, wenn nicht ihm!
MARIAMNE.
Echt königlich!
SOEMUS.
Gewiß! Echt königlich!
Nur ist Octav der Mann nicht, ders bewundert,
Und tut Herodes das –
MARIAMNE.
Wer wagt, zu zweifeln?
SOEMUS.
So ist er auch verloren, oder arg
Hat man Octavian beleidigt, als man
Die große Schlächterei nach Cäsars Tod
Auf seine Rechnung setzte!
MARIAMNE.
Daß du fest
An diesen Ausgang glaubst, daß du Herodes
Schon zu den Toten zählst, ist klar genug.
Sonst hättst du nicht gewagt, was du gewagt.
Auch schauderts mir, ich will es dir gestehn,
Vor deiner Zuversicht, du bist kein Tor,
Und wagst gewiß nicht ohne Grund so viel.
Doch, wie's auch stehen möge, immer bin
Ich selbst noch da, und ich, ich will dir zeigen,
Daß ich ihm auch im Tode noch Gehorsam
Zu schaffen weiß, es soll nicht ein Befehl,
Den er gegeben, unvollzogen bleiben,
Das soll sein Totenopfer sein!
SOEMUS.
Nicht einer?
Ich zweifle, Königin! –
Für sich.
Jetzt falle, Schlag!
MARIAMNE.
So wahr ich Makkabäerin, du schickst
Den Sameas zurück in seinen Kerker!
SOEMUS.
Wie du es willst, so wirds geschehn, und wenn
Du mehr willst, wenn er sterben soll, wie's ihm
Der König drohte, sprich, und er ist tot!
Doch nun gestatte eine Frage mir:
Soll ich auch dich, damit das Totenopfer,[554]
Das du zu bringen denkst, vollkommen sei,
Soll ich auch dich mit meinem Schwert durchstoßen?
Ich hab auch dazu den Befehl von ihm!
MARIAMNE.
Weh!
ALEXANDRA.
Nimmermehr!
MARIAMNE.
So ist das Ende da!
Und welch ein Ende! Eins, das auch den Anfang
Verschlingt und alles! Die Vergangenheit
Löst, wie die Zukunft, sich in nichts mir auf!
Ich hatte nichts, ich habe nichts, ich werde
Nichts haben! War denn je ein Mensch so arm!
ALEXANDRA.
Welch eine Missetat du vom Herodes
Mir auch berichten mögtest, jede glaubt ich,
Doch diese –
MARIAMNE.
Zweifle nicht! Es ist gewiß!
ALEXANDRA.
So sprichst du selbst?
MARIAMNE.
O Gott, ich weiß, warum!
ALEXANDRA.
Dann wirst du wissen, was du tun mußt!
MARIAMNE.
Ja!
Sie zuckt den Dolch gegen sich.
ALEXANDRA sie verhindernd.
Wahnsinnige, verdient er das? Verdient ers,
Daß du den Henker an dir selber machst?
MARIAMNE.
Das war verkehrt! Ich danke dir! Dies Amt
Ersah er für sich selbst!
Sie schleudert den Dolch weg.
Versucher, fort!
ALEXANDRA.
Du wirst dich in der Römer Schutz begeben!
MARIAMNE.
Ich werde keinen, dem an sich was liegt,
Verhindern, das zu tun! – Ich selbst, ich gebe
Zur Nacht ein Fest!
ALEXANDRA.
Ein Fest?
MARIAMNE.
Und tanze dort! –
Ja, ja, das ist der Weg!
ALEXANDRA.
Zu welchem Ziel?
MARIAMNE.
He, Diener!
Diener kommen.
Schließt die Prunkgemächer auf[555]
Und ladet alles ein, was jubeln mag!
Steckt alle Kerzen an, die brennen wollen,
Pflückt alle Blumen ab, die noch nicht welkten,
Es ist nicht nötig, daß was übrig bleibt!
Zu Moses.
Du hast uns einst die Hochzeit ausgerichtet,
Heut gilts ein Fest, das die noch übertrifft,
Drum spare nichts!
Sie tritt vor.
Herodes, zittre jetzt!
Und wenn du niemals noch gezittert hast!
SOEMUS tritt zu ihr heran.
Ich fühle deinen Schmerz, wie du!
MARIAMNE.
Dein Mitleid
Erlaß ich dir! Du bist kein Henkersknecht,
Ich darf nicht zweifeln, denn du hasts gezeigt;
Doch dafür ein Verräter, und Verrätern
Kann ich nicht danken, noch sie um mich dulden,
Wie nützlich sie auch sind auf dieser Welt.
Denn das verkenn ich nicht! Wärst du der Mann
Gewesen, der du schienst, so hätte Gott
Ein Wunder tun, so hätte er der Luft
Die Zunge, die ihr mangelt, leihen müssen,
Das sah er gleich voraus, als er dich schuf,
Drum macht' er zu der Heuchler erstem dich!
SOEMUS.
Der bin ich nicht! Ich war Herodes' Freund,
Ich war sein Waffenbruder und Gefährte,
Eh er den Thron bestieg, ich war sein Diener,
Sein treuster Diener, seit er König ist.
Doch war ichs nur, solange er in mir
Den Mann zu ehren wußte und den Menschen,
Wie ich in ihm den Helden und den Herrn.
Das tat er, bis er, heuchlerisch die Augen
Zum ersten Mal unwürdig niederschlagend,
Den Blutbefehl mir gab, durch den er mich
Herzlos, wie dich, dem sichern Tode weihte,
Durch den er mich der Rache deines Volks,
Dem Zorn der Römer und der eignen Tücke[556]
Preisgab, wie dich der Spitze meines Schwerts.
Da hatt ich den Beweis, was ich ihm galt!
MARIAMNE.
Und drücktest du ihm deinen Abscheu aus?
SOEMUS.
Das tat ich nicht, weil ich dich schützen wollte!
Ich übernahms zum Schein, ich heuchelte,
Wenn dirs gefällt, damit er keinem andern
Den Auftrag gäbe und mich niederstäche;
Ein Galiläer hätt die Tat vollbracht!
MARIAMNE.
Ich bitt dir ab. Du stehst zu ihm, wie ich,
Du bist, wie ich, in deinem Heiligsten
Gekränkt, wie ich, zum Ding herabgesetzt!
Er ist ein Freund, wie er ein Gatte ist.
Komm auf mein Fest!
Ab.
ALEXANDRA.
So wartetest du auch auf deine Zeit,
Wie ich!
SOEMUS.
Auf meine Zeit? Wie meinst du das?
ALEXANDRA.
Ich sah es immer mit Verwundrung an,
Wie du vor diesem König, der der Laune
Des Römers seine Hoheit dankt, dem Rausch
Des Schwelgers, nicht dem Stamm und der Geburt,
Den Rücken bogst, als hättest dus, wie er,
Vergessen, daß du seinesgleichen bist;
Doch jetzt durchschau ich dich, du wolltest ihn
Nur sicher machen!
SOEMUS.
Darin irrst du dich!
Ich sprach in allem wahr. Für seinesgleichen
Halt ich mich nicht und werd es niemals tun!
Ich weiß, wie manchen Wicht es gibt, der ihm
Bloß darum, weil er nicht sein Enkel ist,
Mit Murren dient; ich weiß, daß andre ihm
Die Treu nur Mariamnens wegen halten:
Doch ich gehöre nicht zu dieser Schar,
Die lieber einem Kinderschwert gehorcht,
Wenns nur ererbt ward, als dem Heldenschwert,
Das aus dem Feuer erst geschmiedet wird.
Ich sah den Höhern immer schon in ihm
Und hob dem Waffenbruder seinen Schild,
Wenn er ihn fallen ließ, so willig auf,[557]
Wie je dem König seinen Herrscherstab!
Die Krone, wie das erste Weib: ich gönnte
Ihm beides, denn ich fühlte seinen Wert!
ALEXANDRA.
Du bist doch auch ein Mann!
SOEMUS.
Daß ich das nicht
Vergessen habe, das beweis ich jetzt!
So groß ist keiner, daß er mich als Werkzeug
Gebrauchen darf! Wer Dienste von mir fodert,
Die mich, vollbracht und nicht vollbracht, wie's kommt,
Schmachvoll dem sichern Untergange weihn,
Der spricht mich los von jeder Pflicht, dem muß
Ich zeigen, daß es zwischen Königen
Und Sklaven eine Mittelstufe gibt,
Und daß der Mann auf dieser steht!
ALEXANDRA.
Mir gilt
Es gleich, aus welchem Grund: genug, du tratst
Zu mir herüber!
SOEMUS.
Fürchte keinen Kampf mehr,
Er ist so gut, als tot! Octavian
Ist kein Antonius, der sich das Fleisch
Vom Leibe hacken läßt und es verzeiht,
Weil er die Hand bewundert, die das tut!
Er sieht nur auf die Streiche.
ALEXANDRA.
Was sagt Titus?
SOEMUS.
Der denkt, wie ich! Ich ließ den Sameas
Nur darum frei, weil ich zur Rechenschaft
Gezogen werden wollte. Konnt ich doch
Nicht anders an die Königin gelangen!
Jetzt weiß sie, was sie wissen muß, und ist
Der Todesbotschaft, wenn sie kommt, gewachsen.
Das war mein Zweck! Welch edles Weib! Die schlachten!
Es wär um ihre Tränen schad gewesen!
ALEXANDRA.
Gewiß, ein zärtlicher Gemahl! – Such sie
Nur zu bereden, daß sie sich dem Schutz
Der Römer übergibt, und komm aufs Fest,
Durch das sie mit Herodes bricht, er mag
Nun tot sein oder leben!
Ab.
SOEMUS ihr folgend.
Er ist tot![558]
Ausgewählte Ausgaben von
Herodes und Mariamne
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