Das Heiligste

[322] Wenn Zwei sich in einander still versenken,

Nicht durch ein schnödes Feuer aufgewiegelt,

Nein, keusch in Liebe, die die Unschuld spiegelt,

Und schaamhaft zitternd, während sie sich tränken;


Dann müssen beide Welten sich verschränken,

Dann wird die Tiefe der Natur entriegelt,

Und aus dem Schöpfungsborn, im Ich entsiegelt,

Springt eine Welle, die die Sterne lenken.


Was in dem Geist des Mannes, ungestaltet,

Und in der Brust des Weibes, kaum empfunden,

Als Schönstes dämmerte, das muß sich mischen;


Gott aber thut, die eben sich entfaltet,

Die lichten Bilder seiner jüngsten Stunden

Hinzu, die unverkörperten und frischen.


Quelle:
Friedrich Hebbel: Sämtliche Werke. 1. Abteilung: Werke, Berlin [1911 ff], S. 322.
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