Tändelei

[211] Ich schaute dir in's Auge schnell,

Du blicktest gar zu mild,

Und lieblich sah ich, klar und hell,

Darin mein eig'nes Bild.


In eine wunderbare Flut

Von Farben war's getaucht,

Von Licht und Glanz die Zauberglut

Darüber hingehaucht.


Da wurde dir das Auge feucht,

Und perlenklar und rein

Trat eine Thräne, schnell erzeugt,

Licht in das Licht hinein.


Mein Bild, als wär's mit Flut und Wind,

Es kämpfte frei und frank

Mit deiner Thräne, bis es lind

In ihrem Schooß versank.


So dir im Auge, wundersam

Sah ich mich selbst entsteh'n,

Und, als die stille Thräne kam,

Noch schöner mich vergeh'n.[211]

Quelle:
Friedrich Hebbel: Sämtliche Werke. 1. Abteilung: Werke, Berlin [1911 ff], S. 211-212.
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