Das Habermus

[111] 's Habermues wär ferig, se chömmet, ihr Chinder, und esset!

Betet: ›Aller Augen‹ – und gent mer ordeli Achtig,

aß nit eim am rueßige Tüpfi 's Ermeli schwarz wird.

Esset denn, und segnich's Gott, und wachset und trüeihet!

D'Haberchörnli het der Ätti zwische de Fure

gseiht mit flißiger Hand und abegeget im Früeihjohr.

Aß es gwachsen isch und zitig worde, für sel cha

euen Ätti nüt, sel tut der Vater im Himmel.

Denket numme, Chinder, es schloft im mehlige Chörnli

chlei und zart e Chiimli, das Chiimli tutich ke Schnüüfli,

nei, es schloft, und seit kei Wort, und ißt nit, und trinkt nit,

bis es in de Fure lit, im luckere Bode.[111]

Aber in de Furen und in der füechtige Wärmi

wacht es heimli uf us sim verschwiegene Schlöfli,

streckt die zarte Gliedli, und suget am saftige Chörnli,

wie ne Mutterchind, 's isch alles, aß es nit brieget.

Siederie wird's größer, und heimli schöner und stärcher,

und schlieft us de Windlen, es streckt e Würzeli abe,

tiefer aben in Grund, und sucht si Nahrig und findt sie.

Jo, und 's sticht's der Wunderfitz, 's möcht nummen au wisse,

wie's denn witer oben isch. Gar heimlig und furchtsem

güggelet's zum Boden us – Potz tausig, wie gfallt's em!

Üse lieber Hergot, er schickt en Engeli abe.

»Bringem e Tröpfli Tau, und sag em fründli Gottwilche!«

Und es trinkt, und 's schmecktem wohl, und 's streckt si gar sölli.

Sieder strehlt si d'Sunnen, und wenn sie gwäschen und gstrehlt isch,

chunnt sie mit der Strickete füre hinter de Berge,

wandlet ihre Weg hoch an der himmlische Landstroß,

strickt und lueget aben, as wie ne fründligi Muetter

no de Chindlene luegt. Sie lächlet gegenem Chiimli,

und es tutem wohl, bis tief ins Würzeli abe.

»So ne tolli Frau, und doch so güetig und fründli!«

Aber was sie strickt? He, Gwülch us himmlische Düfte!

's tröpflet scho, ne Sprützerli chunnt, druf regnet's gar sölli.

's Chiimli trinkt bis gnug; druf weiht e Lüftli und trochnet's,

und es seit: »Jez gangi nümmen untere Bode,

um ke Pris! Do blibi, geb, was no us mer will werde!«[112]

Esset Chindli, gsegn' es Gott, und wachset und trüeihet!

's wartet herbi Zit ufs Chiimli. Wulken an Wulke

stöhn am Himmel Tag und Nacht, und d'Sunne verbirgt si.

Uf de Berge schneit's, und witer niede hurniglet's.

Schocheli schoch, wie schnatteret jez, und brieget mi Chiimli!

und der Boden isch zu, und 's het gar chündigi Nahrig.

»Isch denn d'Sunne gstorbe«, seit es, »aß sie nit cho will!

Oder förcht sie au, es frier sie? Wäri doch bliebe,

woni gsi bi, still und chlei im mehlige Chörnli,

und deheim im Boden und in der füechtige Wärmi!«

Lueget Chinder, so goht's! Der werdet au no so sage,

wenn der use chömmet, und unter fremde Lüte

schaffe müent und reblen, und Brot und Plunder verdiene:

»Wäri doch deheim bim Müetterli, hinterem Ofe!«

Tröstich Gott! 's nimmt au en End, und öbbe wird's besser,

wie's im Chiimli gangen isch. Am heitere Maitag

weiht's so lau, und d'Sunne stigt so chräftig vom Berg uf,

und sie luegt, was 's Chiimli macht, und git em e Schmützli,

und jez isch em wohl, und 's weiß nit z'blibe vor Freude.

Nootno prange d'Matte mit Gras und farbige Blume;

nootno duftet 's Chriesibluest, und grünet der Pflumbaum;

nootno wird der Rogge buschig, Weizen und Gerste,

und mi Häberli seit: »Do blibi jo nit dehinte!«

Nei, es spreitet d'Blättli us – wer het em sie gwobe?[113]

und jez schießt der Halm – wer tribt in Röhren an Röhre

's Wasser us de Wurzle bis in die saftige Spitze?

Endli schlieft en Ähri us, und schwankt in de Lüfte –

sagmer au ne Mensch, wer het an sideni Fäde

do ne Chnöspli ghenkt und dört mit chünstlige Hände?

D'Engeli, wer denn sust? Sie wandle zwische de Furen

uf und ab, vo Halm zu Halm, und schaffe gar sölli.

Jez hangt Bluest an Bluest am zarte schwankigen Ähri,

und mi Haber stoht, as wie ne Brüütli im Chilchstuhl.

Jez sin zarti Chörnli drin, und wachsen im Stille,

und mi Haber merkt afange, was es will werde.

D'Chäferli chömme und d'Fliege, sie chömme z'Stubete zunem,

luege, was er macht, und singen: ›Eie Popeie!‹

Und 's Schiiwürmli chunnt, Potz tausig mittem Laternli,

z'nacht um Nüni z'Licht, wenn d'Fliegen und d'Chäferli schlofe.

Esset Chinder, segn es Gott, und wachset und trüeihet!

Sieder het me gheuet, und Chriesi gunne no Pfingste;

sieder het me Pflümli gunne hinterem Garte;

sieder hen sie Rogge gschnitte, Weizen und Gerste,

und die arme Chinder hen barfis zwische de Stupfle

gfalleni Ähri glesen, und 's Müüsli het ene ghulfe.

Druf het au der Haber bleicht. Voll mehligi Chörner

het er gschwankt und gseit: »Jez isch's mer afange verleidet,

und i merk, mi Zit isch us, was tueni ellei do,

zwische de Stupfelrüben, und zwische de Grumbirestude?«[114]

Druf isch d'Muetter usen und 's Efersinli und 's Plunni,

's het ein scho an d'Finger gfrore z'morgen und z'obe.

Endli hemmer en brocht und in der staubige Schüre

hei sie'n dröscht vo früeih um Zwei bis z'oben um Vieri.

Druf isch's Müllers Esel cho, und hetten in d'Mühli

gholt, und wieder brocht, in chleini Chörnli vermahle;

und mit feister Milch vom junge fleckige Chüeihli

hetten 's Müetterli gchocht im Tüpfi. – Geltet, 's isch gut gsi?

Wüschet d'Löffel ab, und bet eis: ›Danket dem Heren – ‹

und jez göhnt in d'Schul, dört hangt der Oser am Simse!

Fall mer keis, gent Achtig, und lehret, was menich ufgit!

Wenn der wieder chömmet, so chömmet der Zibbertli über.

Quelle:
Johann Peter Hebel: Gesamtausgabe, Band 3, Karlsruhe 1972, S. 111-115.
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