Die Feldhüter

[140] Hinte Wald und Berg bis an die duftige Wulke,

vorne Matte voll Chlee, und Saat und goldene Lewat,

stoht e Hütten im Feld und in der einsame Mittnacht.

Numme d'Sterne wachen, und numme no d'Feldberger Wiese,

und der Schuhu im Wald und öbbe Geister und Hirze.

Aber im Hüttli sitzen und hüte die buschige Felder

's Meiers muntere Fritz und 's Müllers lockige Heiner

»Heinerli«, seit der Fritz, »der Schlof goht lisli um d'Hütte.[140]

Lueg, jez chuunt er is inen, und lueg doch weger, er het di!

Weidli, chumm ins Grün! Mer wenn im lieblige Wechsel

mitenander singen. Es weiht e lustige Nachtluft,

gvätterlet mittem Laub und exerzirt mit de Halme:

»Rechts um kehrt euch! Links her stellt euch! Nonemol rechts um!«

Aber 's Müllers Heiner mit siner lockige Stirne

streckt si und stoht uf, und sucht si gläserni Röhre.

»Fritzli, stoß mi nit!« Jez stehn sie gegen enander,

der am Chriesibaum, der an der duftige Linde,

und probire d'Tön in ihrer Höchi und Tiefi,

setzen ab, und setzen a. »Sing, Heinerli, du z'erst!«

seit der Fritz, »de hesch doch, traui, näume ne Schätzli.«


Heiner.


Tränki früeih am Brunne, so holt au's Meieli Wasser.

Wäscht es am Obe Salat, se chummi wieder und tränki.

»Guten Obe!« – »Dank der Gott! Mer treffe's doch ordli.« –

»Jo, mer treffe's ordli; 's isch hüt e lieblige Tag gsi.«


Fritz.


In der Chilchen im Chor, und wenn der Her Pfarer e Spruch seit,

luegi mi Vreneli a, öb es au ordeli acht git,

und es luegt mi a, öb ich au ordeli acht gib.

Lauft au drüber 's Sprüchli furt, mer chönne's nit hebe.


Heiner.


Schön tönt d'Schopfemer Glocke, wenn früeih der Morgen in d'Nacht luegt;[141]

süeß tönt d'Menschestimm wohl in der Schopfemer Orgle:

Schöner tönt es mi a, und süßer goht's mer zu Herze,

wenn mi's Meieli grüßt, und seit: »Mer treffe's doch ordli.«


Fritz.


Weiht der Früehlig ins Tal, und riesle die lustige Bächli,

und der Vogel zieht, furt möchti riten, und d'Welt us.

Wenn i bi mim Vreneli siz im heitere Stübli,

isch das Stübli mi Welt und, Gott verzeih mer's, mi Himmel.


Heiner.


Ziehni der Nüntelstei, gschickt baui Mühlen an Mühle:

»Uf und zu, und mir die Chue!« – Wer zeigt mer mi Meister?

Aber isch's Meieli do, und höri si Stimm und si Rädli,

oder es lueget mer zu, ne Schulerbüebli chönnt's besser.


Fritz.


Cheigle mer uf em Plaz, sitzt's Vreneli unter der Linde,

fallemer Siebe gwis. Doch seits: »Zeig, triffsch mer der Chünig«,

triffi der Chünig ellei. Doch seit's: »Jez gangi«, und 's goht au,

und isch's nümme do, blind lauft mer d'Chugle dur d'Gasse.


Heiner.


Lieblige Ton und Schall, wo hesch di Gang in de Lüfte?

Ziehsch mer öbben ins Dorf, und chunnsch ans Meielis Fenster,

weck mer's lisli uf: »Es loßt di der Heinerli grüße.«

Frogt's mi früeih, so läugni's. Doch werde mi d'Auge verrote.


[142] Fritz.


Vreneli, schlof frei wohl in dim vertäfelte Stübli,

in dim stille Herz, und chummi der öbben im Traum vor,

lueg mi fründli a, und gib mer herzhaft e Schmützli!

Chummi heim, und triff di a, i gib der en anders.


Heiner.


Her Schulmeister, o Mond, mit diner wulkige Stirne,

mit dim glehrte Gsicht, und mit dim Pflaster am Backe,

folge der dini Chinder, und chönne sie d'Sprüchli und d'Psalme?

Blib mer nit z'lang stoh bi sellem gattige Sternli!


Fritz.


Wülkli der chüele Nacht, in diner luftige Höchi,

seif mer der Schulmeister i mit diner venedische Seife,

mach em e rechte Schuum! So brav, und alliwil besser,

aß er sie nit chüsse cha, die gattige Sternli.


Heiner.


Ruuscht scho der Morgen im Laub? Göhnd' Geister heim uffe Chilchhof?

Arme Steffi, du bisch tief in der Wiesen ertrunke,

und di Chüngeli isch im heimlige Chindbett verschieden.

Aber jez chömmeter z'semmen all Nacht am luftige Chrützweg.


Fritz.


Füürige Manne im Ried und am verschobene Marchstei,

machetich numme lustig! Me weiß scho, werich zum Tanz spielt.[143]

Chömmer kein in d'Nöchi mit siner brennige Stange!

Daß di dieser und jener, du sappermentische Rotchopf! –

»Friederli«, seit der Heiner, gern ißi Eieren-Anke,

Ziebeleweihe so gern, doch chönnti alles vergesse,

höri di lieblige Stimm und dini chünstlige Wise.

Chömme mer heim ins Dorf, o wüßti, was der e Freud wär!

Gell, de nimmsch mer's ab, vier neui weltlichi Lieder

von des Sultans Töchterlein, der Schreiber im Korbe,

's dritt vom Dokter Faust, und 's viert vom Lämmlein im Grünen

's isch nit lang, i ha sie neu am Chanderer Märt gchauft.«

»Heinerli«, seit der Fritz, »i schenk dir e sufere Helge.

d'Mutter Gottis luegt im goldene Helgen in Himmel.

»Jesis Mareie«, seit sie, »wie isch's do oben so heiter«,

und ihr Gsicht wird sunnehell und lächlet so liebli,

aß me möcht katholisch werde, wemme sie aluegt.

Bring's dim Meili, weisch was, 's het au so fründligi Augen,


und bis nit so schüüch, und sag em, wie's der ums Herz isch.

Quelle:
Johann Peter Hebel: Gesamtausgabe, Band 3, Karlsruhe 1972, S. 140-144.
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