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[215] Es sitzen am Kreuzweg drei Frauen,

Sie grinsen und spinnen,

Sie seufzen und sinnen;

Sie sind gar häßlich anzuschauen.


Die erste trägt den Rocken,

Sie dreht die Fäden,

Befeuchtet jeden;

Deshalb ist die Hängelippe so trocken.


Die zweite läßt tanzen die Spindel;

Das wirbelt im Kreise,

In drolliger Weise;

Die Augen der Alten sind rot wie Zindel.


Es hält die dritte Parze

In Händen die Schere,

Sie summt Miserere;

Die Nase ist spitz, drauf sitzt eine Warze.


O spute dich und zerschneide

Den Faden, den bösen,

Und laß mich genesen

Von diesem schrecklichen Lebensleide!

Quelle:
Heinrich Heine: Werke und Briefe in zehn Bänden. Band 2, Berlin und Weimar 21972, S. 215.
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