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[211] Einst sah ich viele Blumen blühen

An meinem Weg; jedoch zu faul,

Mich pflückend nieder zu bemühen,

Ritt ich vorbei auf stolzem Gaul.


Jetzt, wo ich todessiech und elend,

Jetzt, wo geschaufelt schon die Gruft,

Oft im Gedächtnis höhnend, quälend,

Spukt der verschmähten Blumen Duft.


Besonders eine feuergelbe

Viole brennt mir stets im Hirn.

Wie reut es mich, daß ich dieselbe

Nicht einst genoß, die tolle Dirn'.


Mein Trost ist: Lethes Wasser haben

Noch jetzt verloren nicht die Macht,

Das dumme Menschenherz zu laben

Mit des Vergessens süßer Nacht.


Quelle:
Heinrich Heine: Werke und Briefe in zehn Bänden. Band 2, Berlin und Weimar 21972, S. 211.
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