8.

Anno 1839

[287] Oh, Deutschland, meine ferne Liebe,

Gedenk ich deiner, wein ich fast!

Das muntre Frankreich scheint mir trübe,

Das leichte Volk wird mir zur Last.


Nur der Verstand, so kalt und trocken,

Herrscht in dem witzigen Paris –

Oh, Narrheitsglöcklein, Glaubensglocken,

Wie klingelt ihr daheim so süß!


Höfliche Männer! Doch verdrossen

Geb ich den art'gen Gruß zurück. –

Die Grobheit, die ich einst genossen

Im Vaterland, das war mein Glück!


Lächelnde Weiber! Plappern immer,

Wie Mühlenräder stets bewegt!

Da lob ich Deuschlands Frauenzimmer,

Das schweigend sich zu Bette legt.


Und alles dreht sich hier im Kreise,

Mit Ungestüm, wie 'n toller Traum!

Bei uns bleibt alles hübsch im Gleise,

Wie angenagelt, rührt sich kaum.


Mir ist, als hört' ich fern erklingen

Nachtwächterhörner, sanft und traut;

Nachtwächterlieder hör ich singen,

Dazwischen Nachtigallenlaut.


Dem Dichter war so wohl daheime,

In Schildas teurem Eichenhain!

Dort wob ich meine zarten Reime

Aus Veilchenduft und Mondenschein.
[287]

Quelle:
Heinrich Heine: Werke und Briefe in zehn Bänden. Band 1, Berlin und Weimar 21972, S. 287-288.
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