10.

Die Engel

[317] Freilich, ein ungläub'ger Thomas,

Glaub ich an den Himmel nicht,

Den die Kirchenlehre Romas

Und Jerusalems verspricht.


Doch die Existenz der Engel,

Die bezweifelte ich nie;

Lichtgeschöpfe sonder Mängel,

Hier auf Erden wandeln sie.


Nur, genäd'ge Frau, die Flügel

Sprech ich jenen Wesen ab;

Engel gibt es ohne Flügel,

Wie ich selbst gesehen hab.
[317]

Lieblich mit den weißen Händen,

Lieblich mit dem schönen Blick

Schützen sie den Menschen, wenden

Von ihm ab das Mißgeschick.


Ihre Huld und ihre Gnaden

Trösten jeden, doch zumeist

Ihn, der doppelt qualbeladen,

Ihn, den man den Dichter heißt.
[318]

Quelle:
Heinrich Heine: Werke und Briefe in zehn Bänden. Band 1, Berlin und Weimar 21972, S. 317-319.
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