Caput VIII

[366] Mancher tugendhafte Bürger

Duftet schlecht auf Erden, während

Fürstenknechte mit Lavendel

Oder Ambra parfümiert sind.


Jungfräuliche Seelen gibt es,

Die nach grüner Seife riechen,

Und das Laster hat zuweilen

Sich mit Rosenöl gewaschen.
[366]

Darum rümpfe nicht die Nase,

Teurer Leser, wenn die Höhle

Atta Trolls dich nicht erinnert

An Arabiens Spezerei'n.


Weile mit mir in dem Dunstkreis,

In dem trüben Mißgeruche,

Wo der Held zu seinem Sohne

Wie aus einer Wolke spricht:


»Kind, mein Kind, du meiner Lenden

Jüngster Sprößling, leg dein Einohr

An die Schnauze des Erzeugers

Und saug ein mein ernstes Wort!


Hüte dich vor Menschendenkart,

Sie verdirbt dir Leib und Seele;

Unter allen Menschen gibt es

Keinen ordentlichen Menschen.


Selbst die Deutschen, einst die Bessern,

Selbst die Söhne Tuiskions,

Unsre Vettern aus der Urzeit,

Diese gleichfalls sind entartet.


Sind jetzt glaubenlos und gottlos,

Pred'gen gar den Atheismus –

Kind, mein Kind, nimm dich in acht

Vor dem Feuerbach und Bauer!


Werde nur kein Atheist,

So ein Unbär ohne Ehrfurcht

Vor dem Schöpfer – ja, ein Schöpfer

Hat erschaffen dieses Weltall!
[367]

In der Höhe Sonn' und Mond,

Auch die Sterne (die geschwänzten

Gleichfalls wie die ungeschwänzten)

Sind der Abglanz seiner Allmacht.


In der Tiefe, Land und Meer,

Sind das Echo seines Ruhmes,

Und jedwede Kreatur

Preiset seine Herrlichkeiten.


Selbst das kleinste Silberläuschen,

Das im Bart des greisen Pilgers

Teilnimmt an der Erdenwallfahrt,

Singt des Ew'gen Lobgesang!


Droben in dem Sternenzelte,

Auf dem goldnen Herrscherstuhle,

Weltregierend, majestätisch,

Sitzt ein kolossaler Eisbär.


Fleckenlos und schneeweiß glänzend

Ist sein Pelz; es schmückt sein Haupt

Eine Kron' von Diamanten,

Die durch alle Himmel leuchtet.


In dem Antlitz Harmonie

Und des Denkens stumme Taten;

Mit dem Zepter winkt er nur,

Und die Sphären klingen, singen.


Ihm zu Füßen sitzen fromm

Bärenheil'ge, die auf Erden

Still geduldet, in den Tatzen

Ihres Martyrtumes Palmen.
[368]

Manchmal springt der eine auf,

Auch der andre, wie vom Heil'gen

Geist geweckt, und sieh! da tanzen

Sie den feierlichsten Hochtanz –


Hochtanz, wo der Strahl der Gnade

Das Talent entbehrlich machte,

Und vor Seligkeit die Seele

Aus der Haut zu springen sucht!


Werde ich unwürd'ger Troll

Einstens solchen Heils teilhaftig?

Und aus irdisch niedrer Trübsal

Übergehn ins Reich der Wonne?


Werd ich selber, himmelstrunken,

Droben in dem Sternenzelte,

Mit der Glorie, mit der Palme

Tanzen vor dem Thron des Herrn?«


Quelle:
Heinrich Heine: Werke und Briefe in zehn Bänden. Band 1, Berlin und Weimar 21972, S. 366-369.
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