XXXIV.
Das Zeichen in den Augen.

[221] Hippokrates, der Denker, stets in Sorgen

Für seine Menschen, die er kranken sah,

Begleitet von der Jungfer Izia,

Kam zu Demokritus, dem Lacher – »Guten Morgen,

Mein Jüngferchen!« So freundlich grüßte da

Demokritus das Mädchen. »Schlafen Sie,

Mein Jüngferchen, sprach er beym Abschiednehmen

Des Abends noch, recht wohl! Des andern Tages früh

Sah er das Jüngferchen, und ohne sich zu schämen,

Frug er: Madame, wie geschlafen?« Denn

In ihren Augen las er: diese, diese Nacht

Hat mich zu einer Frau gemacht.

Und da, was that das Jüngferchen?

Es lächelte dem Lacher, sah ihn an,

Und sagte: Schlimmer Mann,

Wenn sie's in unsern Augen lesen,

Dann ist ein Schlimmrer nie gewesen.


Gleim.

Quelle:
Wilhelm Heinse: Erzählungen für junge Damen und Dichter gesammelt und mit Anmerkungen begleitet, Lemgo 1775, S. 221-222.
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