An die Jugend

[17] Deutsche Jugend, sturmesmächtig,

Glockenläutend, frühlingsprächtig

Ruft dich auf mein stolzer Sang.

Einig Band hält uns umschlossen,

Hört mich, wachsende Genossen,

Bruderbund in Sturm und Drang!


Allen Spöttern schenkt Verachtung,

Die in nebelnder Umnachtung

Eure Sehnsucht nicht verstehn!

Die da lachen und euch höhnen,

Sollt sie nie mit euch versöhnen,

Blindlings laßt sie untergehn!


Die am Golde sich genügen,

Schmähend euch mit feilen Lügen,

Säend Arglist und Verrat:

In den Kot die Sinnesdirnen!

Hebt zur Sonne eure Stirnen,

Ratet und vollführt die Tat!
[18]

Eins ist not, ach nur dies eine:

Daß des Menschen Bild erscheine,

Rein von Schminke die Natur.

Daß mit innerstem Verstehen

Augen sich in Augen sehen,

Eins ist not, dies eine nur!


Alle Ketten, die da lauern,

Alle morschen Scheidemauern

Schmettert in den tiefsten Grund!

Arbeit soll die Arbeit achten,

Faule Schlemmer sollen schmachten

Einsam mit verdorrtem Mund!


Freie Arbeit – schöne Tugend,

Höre mich, du deutsche Jugend,

Zukunftschaffendes Geschlecht!

Schöne Tugend, edles Wagen –

Selbstverkümmernd Jochertragen

Preist voll Demut nur der Knecht.


Lauscht dem Worte hoher Meister,

Tiefer Seelen, klarer Geister,

Ehrt des Genius' goldne Saat!

Vor dem Rohen scheu und scheuer,

Nährt der Sitte reines Feuer,

Das euch stählt zur höchsten Tat:
[19]

Tat der Wahrheit, Tat der Freiheit,

Tat der Schönheit, heilige Dreiheit,

Komm, wie dich der Seher sieht!

Deutsche Jugend, sturmesmächtig,

Glockenläutend, frühlingsprächtig

Ruft dich auf mein stolzes Lied.

Quelle:
Karl Henckell: Gesammelte Werke. Band 2: Buch des Kampfes, München 1921, S. 17-20.
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Als Hoffmanns Verleger Reimer ihn 1818 zu einem dritten Erzählzyklus - nach den Fantasie- und den Nachtstücken - animiert, entscheidet sich der Autor, die Sammlung in eine Rahmenhandlung zu kleiden, die seiner Lebenswelt entlehnt ist. In den Jahren von 1814 bis 1818 traf sich E.T.A. Hoffmann regelmäßig mit literarischen Freunden, zu denen u.a. Fouqué und Chamisso gehörten, zu sogenannten Seraphinen-Abenden. Daraus entwickelt er die Serapionsbrüder, die sich gegenseitig als vermeintliche Autoren ihre Erzählungen vortragen und dabei dem serapiontischen Prinzip folgen, jede Form von Nachahmungspoetik und jeden sogenannten Realismus zu unterlassen, sondern allein das im Inneren des Künstlers geschaute Bild durch die Kunst der Poesie der Außenwelt zu zeigen. Der Zyklus enthält unter anderen diese Erzählungen: Rat Krespel, Die Fermate, Der Dichter und der Komponist, Ein Fragment aus dem Leben dreier Freunde, Der Artushof, Die Bergwerke zu Falun, Nußknacker und Mausekönig, Der Kampf der Sänger, Die Automate, Doge und Dogaresse, Meister Martin der Küfner und seine Gesellen, Das fremde Kind, Der unheimliche Gast, Das Fräulein von Scuderi, Spieler-Glück, Der Baron von B., Signor Formica

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