Ausgebaggert

[107] Der Fluß wird ausgebaggert. Langsam bohrt

Der leeren Kupferkiepen Rollradkette

Sich in der seichten Flut verschlammtes Bette,

Es kreischt und quietscht, es rasselt und rumort.

Mit Kies gefüllt steigt Korb nach Korb und wirft

Die Steinlast in die breite Bretterrinne,

Die in das Frachtboot läuft. Und wieder schürft

Und wühlt's im Grund, und wieder schleppt's zur Zinne.

Der Eisenschornstein raucht. Und Kohlen schaufelt

Der Heizer in den Ofen der Maschine.

Der Vorrat schmilzt. Aus flachem Lastkahn haufelt

Er frische Kohlen auf, der schwarze Hüne ...


Was wird da mit dem Schlamm und mit den Steinen

Dem kühlen Schoß und Schlummer nicht geraubt!

Ein alter Feldstuhl mit zerbrochnen Beinen,

Ein Kaffeekännchen, ohne Henk und Haupt.

Ein Pot de chambre aus verschollnen Tagen,

Wer warf den wohl so mitten durch entzwei?

Ging's einem Ehmann damit an den Kragen?

Sardellenbüchsen, Kruken wirft der Brei.[108]

Ein Schirm in Fetzen, dem die Stangen fehlen,

Ein eingetriebener Zylinderhut ...

Den könnte ein Hanswurst sich passend stehlen,

Getrocknet wär' er noch zum Fasching gut.

Ein Bruchband, Hosenträger, Scherben, Drähte

Und all dergleichen Leib- und Hausgeräte ...


Die Leute, eh sie zum Geschäfte gehn,

Hören den Lärm und bleiben gern mal stehn.

Besonders wenn die Mittagssonne scheint

Und mit dem Erdgewürm es gnädig meint.

Das Schurzfell lehnt sich eine kleine Zeit

Ans Steingeländer mit gekreuzten Beinen;

Der Glückliche, der Geld auf Zinsen leiht,

Schlägt Schneckenschritt an, mit ihm seine Kleinen,

Ein Schulbub, der Mechanik lernen soll,

Betrachtet aufmerksam das Seilgeroll ...


Ich klopfe mir den Staub vom Ellenbogen

Und trolle mich so recht gemach nach Haus,

Symbolisiere, daß die Locken wogen,

Von Seelenschlamm und baggre lustig aus.

»Der schöne Fluß des Lebens ist versandet,

Der Heizer heizt. Die Reinigung beginnt.

Bald ist der Krimskrams 'raus. Und jeder landet

Und dampft nach Ufern, die ihm teuer sind.«

Quelle:
Karl Henckell: Gesammelte Werke. Band 2: Buch des Kampfes, München 1921, S. 107-109.
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