Hexengeflüster

[314] Und die gespenstischen Schicksalsreiter

Auf den gelbschwarz getigerten Rossen

Mit den gierig geblähten Nüstern,

Die von giftigen Gasen dampfen,

Sausen weiter, sausen weiter ...


Dumpf die Hufe vorüberstampfen,

Und die Hexen des Schlachtfelds flüstern.

Blutübergossen,

Gerippehager,

Lehnen zu dritt sie am toten Tank,

Der angeschossen

Plump sich gewälzt und im Sumpf versank.

Hungermager

Flüstern die Schwestern und Schicksalssager:


»Welt todkrank!

Menschen lüstern

Nach Mord, Mord, Mord.

Eisenhyäne,

Zerfetzende Zähne!
[315]

Mord ist der Lord,

Wahnwitz der Meister

Ruchloser Geister –

Gold-Kapitäne

Schrein:

Gott über Bord!


Welt ward gemein.

Strotzende Fülle

Hetzt sie zu Haß,

Heilige Stille

Schänden sie mit Granatengebrülle,

Himmelhoch steigt ihr zerstörender Wille –

Sancta, sancta Satanitas!


Sinnlos Sein!

Mild behütet

Im Mutterschoß –

Wild zerwütet,

Metzgerstoß,

Wuchs der Knabe zum Jungmann groß –

Markverheerendes Menschheitslos!


Feld der Lüge,

Wahnesfeld,

Irre Züge

Zeigt die Welt ...[316]

Recht verzerrt,

Wert entstellt –

Horcht, wie der Höllhund der Dämmerung bellt!«


Tag erwacht

Fahl zur Schlacht,

Schauerlich flüstern die Schicksalsfraun

Und zerfließen in Nacht und Graun.

Quelle:
Karl Henckell: Gesammelte Werke. Band 2: Buch des Kampfes, München 1921, S. 314-317.
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Gedichte und Satiren

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»Es giebet viel Leute/ welche die deutsche poesie so hoch erheben/ als ob sie nach allen stücken vollkommen wäre; Hingegen hat es auch andere/ welche sie gantz erniedrigen/ und nichts geschmacktes daran finden/ als die reimen. Beyde sind von ihren vorurtheilen sehr eingenommen. Denn wie sich die ersten um nichts bekümmern/ als was auff ihrem eignen miste gewachsen: Also verachten die andern alles/ was nicht seinen ursprung aus Franckreich hat. Summa: es gehet ihnen/ wie den kleidernarren/ deren etliche alles alte/die andern alles neue für zierlich halten; ungeachtet sie selbst nicht wissen/ was in einem oder dem andern gutes stecket.« B.N.

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