Kaiser und Arbeiter

[212] »Pardon wird nicht gegeben!«


Der Kaiser, den wir alle kennen,

Sprach jüngst mit einem schlichten Mann.

Ich sah sie stehn im Sonnenbrennen,

Und ihre Worte hört' ich an.

Man wird es ein Gesicht wohl nennen,

Weil man es sonst nicht glauben kann.


Der Kaiser stieg vom stolzen Rosse

Und trat zum Manne, der gebückt

An einem Riesenschiffsgeschosse

Die letzten Schrauben festgedrückt.

Grad in den Schlund dem Mordskolosse

Sah Majestät: »Es ist geglückt«,


Sprach er: »Mein Segen solchem Werke,

Das du für Mich vollendet hast!

Mein kaiserliches Lob! Und merke

Wohl auf mein Wort, das trefflich paßt:

›Mit Gott und Krupp!‹ heißt unsre Stärke,

Dies Wort sei drum ins Rohr gefaßt!«


Da hob der Mann sein Haupt zum Lichte

Und wischt vom Angesicht den Schweiß

Und schwieg in zagendem Verzichte.[213]

Plötzlich durchschießt's ihn kalt und heiß,

Doch militärisch in der Richte

Steht gleich er stramm und spricht: »Gott weiß,


Was wahr ist. Majestät verzeihen!

Ich schaffe für mein täglich Brot.

Ich wünsche Deutschland gut Gedeihen

Und starken Schutz für Krieg und Not.

Doch ... darf der Mensch um Rache schreien,

Wenn ›Liebe‹ lautet sein Gebot?


Pardon drum, Majestät! Ich halte

Fest an dem Neuen Testament.

Gott schaut in jede Herzensfalte,

Ich will nicht, daß er falsch mich nennt.

So wahr am Rohr nicht Riß noch Spalte,

Kann Christ sein, wer – Pardon nicht kennt?«


Und schweigt. Das Sonnenlicht spielt heiter

Auf Adlerhelm und Wappenschild.

Der Kaiser grüßt den Werftarbeiter

Wortlos und reitet rasch, ein Bild

Blitzzuckender Tatbegierde, weiter

Durchs glutenschwangere Gefild.

Quelle:
Karl Henckell: Gesammelte Werke. Band 2: Buch des Kampfes, München 1921, S. 212-214.
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