Ostern 1917

[309] Und wir schritten durch Schleier, und jeder sah

Wie blind der Erde Gefild,

Und wieder hob sich auf Golgatha

Im Nebel das blutige Bild.


Und wieder bebte der Erde Grund,

Versank die Lichtwelt in Nacht,

Und die Liebe neigte sich todeswund

Und sprach: »Es ist vollbracht!«


O, die wir gewandelt in Dunkelheit

Und gelitten in Kreuz und Not,

Wir hungern nach wahrer Gerechtigkeit

Und dürsten nach neuem Gebot.


Wir recken die schaffenden Hände zum Licht

Für unser Leben und Land,

Und aus dem Schoße der Himmel bricht

Ein Strahl, der die Finsternis bannt.
[310]

Wir schöpfen die Himmel, wir schöpfen den Strahl

Aus des eigenen Volkes Schoß,

Und wir erzeugen in Krampf und Qual

Der Menschheit schöneres Los.


Und wir schreiten in stählender Lüfte Wehn

Durch der kreißenden Erde Gefild –

Und das blutende Leben muß auferstehn

In der Zukunft geläutertem Bild.

Quelle:
Karl Henckell: Gesammelte Werke. Band 2: Buch des Kampfes, München 1921, S. 309-311.
Lizenz:
Kategorien: