An ihrem Grabe

[136] Müd' komm ich aus der Ferne

Mit schwerem Wanderstab;

Ach! grüßen wollt' ich gerne

Der treu'sten Freundin Grab.


Es sagen keine Worte,

Es weht aus keinem Lied,

Was ich in ihr gefunden,

Was mir mit ihr verblüht.


Das reichste Herz an Güte,

Das ich auf Erden fand,

Das bergen diese Blumen,

Das decket dieser Sand. –
[137]

Ich knie' an ihrem Grabe

So einsam und so arm.

Es tranken seine Blumen

Wohl nimmer Thau, so warm. –


O, drängen meine Thränen

Hinab, hinab zu ihr

Und weht' aus ihrem Munde

Ein Hauch herauf zu mir! –


Doch still und kalt und öde

Ruht Alles weit umher –

Es weckt mein lauter Jammer

Dich, Selige! nicht mehr. –


So ruh' in Gottes Frieden

In Deiner stillen Gruft,

Bis des Erweckers Stimme

Zur ew'gen Wonne ruft.


Schlaf' wohl, schlaf' wohl, Geliebte! –

Ich nehme welkend Laub

Von deinem stillen Hügel

Und eine Handvoll Staub.
[138]

Das ist, was mir geblieben

Von aller Erdenlust:

Es ruh' als Angedenken

Auf meiner kranken Brust.


Und wenn sie mich begraben

Dereinst im fernen Land,

Deckt mein gebrochnes Herze

Noch Deines Hügels Sand.


Dülmen, 1825

Quelle:
Louise Hensel: Lieder. Paderborn 41879, S. 136-139.
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