[154] Mein Lieb steht ganz in Wunden
Und sieht mich traurig an.
O, Weh' den dunkeln Stunden,
Da ich Ihm das gethan! –
Im lichterhellten Saale
Bei Scherz und Sang und Tanz
Flocht ich beim frohen Mahle
Für ihn den Dornenkranz.
Von Flitterglanz umgeben
Bei Tändelei und Spiel
War einzig nur mein Streben,
Daß ich der Welt gefiel.
[155]
Da traf mich tief im Herzen
Sein ernster Leidensblick
Und riß von eiteln Scherzen
Die Seele mein zurück.
Sein Haupt vom Dorn umwunden
Und doch Sein Blick voll Huld,
Sein reiner Leib voll Wunden –
Weh! das ist meine Schuld!
Ich habe Dich geschlagen,
Gehöhnt mit Rohr und Kron';
Um mich hast Du getragen,
Herr! all den Schmerz und Hohn.
O laß mich nicht verderben,
Du, aller Sünder Heil! –
Dir leben und Dir sterben,
Das sei fortan mein Theil.
1858.
Ausgewählte Ausgaben von
Lieder (Ausgabe von 1879)
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