|
[35] Bedenk' ich Deine große Treue,
Bedenk' ich meine tiefe Schuld,
Dann fühl' ich heiße Scham und Reue
Und preis' in Demuth Deine Huld.
Ich bin nur Staub, aus Staub geboren,
Bin irdisch und verweslich noch,
Und bin zur Herrlichkeit erkoren,
Bin himmlisch auch und ewig doch.
O Vater, Deine große Liebe,
Wie kann ein Mensch sie je verstehn!
Gieb, daß ich mich in Einfalt übe,
Den Weg, den Du mich führst, zu gehn.
[36]
Gieb, daß ich Dir nicht widerstrebe,
Wenn Dornen meinen Pfad umziehn,
Und daß ich Dir im Glauben lebe
Und nicht von dieser Erde bin.
Gieb, daß der Erde Eitelkeiten
Mir unbewußt vorüber wehn,
Und daß ich mag zu allen Zeiten
Auf Jesu Kreuz und Sterben sehn.
Gieb, daß ich nimmer möge schwanken,
Wenn mir der Erde Reichthum blinkt;
Laß mich von Deinem Weg nicht wanken,
Wo mir am Ziel die Krone winkt.
Gieb, daß ich dulden mag und hoffen,
Und gieb mir Deinen heil'gen Geist
Und zeige mir den Himmel offen,
Wenn mir der Tod das Herz zerreißt! Amen.
Berlin, 1816.
Ausgewählte Ausgaben von
Lieder (Ausgabe von 1879)
|