Hingabe

[102] Ich habe nichts auf Erden,

Im Himmel nichts als Dich;

Was hier noch mein will werden –

Es ist dahin für mich.

O Herr! ich will ja gerne

Für Dich, für Dich nur glühn;

O wende, o entferne,

Was mich zurück will ziehn.


Umfasse denn von Herzen

Die sehnsuchtsvolle Braut.

Wohl sind ihr tausend Schmerzen

Mit Dir, Herr! angetraut.

Sie kann ja nicht die Plagen,

Die Sorgen mancherlei,

Die Angst, den Schmerz ertragen,

Stehst Du, Herr! ihr nicht bei.
[103]

Wer kann die Qualen nennen,

Die unser Herz erfährt,

Bis heil'ger Sehnsucht Brennen

Den Erdenstoff verzehrt,

Bis siebenfaches Feuer

Ein reines Gold bewährt,

Bis unsern dunkeln Schleier

Des Himmels Glanz verklärt?


So bin ich denn mit Freuden

Für Tod und Leben Dein.

Stehst du mir bei im Leiden,

So bin ich nicht allein,

So trag' ich stark und gerne,

Was soll getragen sein;

Es kann ja nicht mehr ferne

Des Laufes Ende sein.


Berlin, Jan. 1819.


Quelle:
Louise Hensel: Lieder. Paderborn 41879, S. 102-104.
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