[141] Es war in früher Stille
Beim ersten Lerchenlied,
Als mir der ew'ge Wille
Den Wanderstab beschied.
Ich sprang auf jungem Rasen,
Wo Wiesenblumen blühn,
Wo zarte Lämmlein grasen,
Ein frohes Mägdlein, hin.
Es hatte Gottes Güte
Mir Kindessinn verliehn;
Ich sah aus jeder Blüthe
Die ew'ge Liebe blühn.
Und Bäum' und Blüthenranken
Erfüllten mich mit Lust,
Und Jauchzen nur und Danken
Bewegte mir die Brust. –
[142]
Doch gift'ge Dunstgebilde
In falscher Farben Schein,
Sie bargen Seine Milde
Zu bald den Blicken mein.
Ich lauschte eitler Thoren
Verlockendem Gesang,
Der den getäuschten Ohren
Wie Weisheitslehre klang.
Des Stolzes böses Wähnen
Umstrickte mir den Sinn:
Es trieb mich rastlos Sehnen
Zu schnödem Wissen hin.
Da wich der Einfalt Taube,
Der ich so treulos war:
Es floh der fromme Glaube
Und ließ mich trostesbar.
Und weiter ging ich immer
Und suchte reines Licht
Und folgte falschem Schimmer
Und sah die Sonne nicht.
[143]
Bis fernes Glockenklingen
An meine Ohren schlug
Und himmelreines Singen
Die Luft herübertrug.
Ich wahrt' auf Felsenhöhe
Die Kirche, ernst und alt;
Es zog in ihre Nähe
Mich heilige Gewalt.
In ihrer Mitte prangen
Sah ich der Sonne Schein –
Da bin ich eingegangen
Zum treu'sten Vater mein.
Und hab' in heißer Aschen
Und herber Thränenfluth
Mein Pilgerkleid gewaschen
Und selig ausgeruht.
Da war vom ew'gen Tode
Die Seele rückgekehrt
Und ward mit heil'gem Brode
Am reinen Tisch genährt.
[144]
Und in der Kirche Garten,
Auf grünem Rasengrund
Sollt' ich der Lämmlein warten
Wohl bis zur Abendstund'.
Es war in Mittagsstille,
Wann heiß die Sonne glüht,
Als mir der Liebe Wille
Den Hirtenstab beschied.
Ich that auf duft'ge Matten,
Wo klare Bächlein sprühn,
Wo hohe Palmen schatten,
Mit meinen Lämmlein ziehn.
Und jegliche Beschwerde,
Sie duld' ich froh und gern
Und führe Seine Heerde
Treu bis zum Abendstern.
Bald ruft des Glöckleins Schallen
Mich von der Arbeit ab,
Und gern der Hand entfallen
Wird dann der Pilgerstab.
Aachen, St. Leonhard, den 30. März 1832.
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