Trost in Jesus

[128] Du hast in heißen Stunden,

Wenn mich der Schmerz besiegt,

So oft in Deinen Wunden

Dein armes Kind gewiegt.


Ich sah in hellen Gluthen

Dein göttlich Herz erglühn

Und sah in rothen Fluthen

Dein süßes Leben fliehn.


Dann konnt' ich mich nicht halten,

Ich rang in Todeswehn;

Mit Dir wollt' ich erkalten,

Mit Dir zum Grabe gehn.
[129]

Dann hab' ich wohl empfunden,

Wie Du mir Alles bist,

Und wie aus Deinen Wunden

Mir Tod und Leben fließt.


In Deines Blutes Fluthen

Taucht' ich die Seele mein

Und löscht' in heil'gen Gluthen

Der Erden-Liebe Schein.


In Dir sah ich verrinnen

Der Erde Lust und Pracht,

Die meine eiteln Sinnen

Zum Götzenbild gemacht.


Und die im Flitterglanze

Der Eitelkeit geschwebt,

Hat ernst im Dornenkranze

Nach Deinem Kreuz gestrebt.


Und bald hast Du nach oben,

Du heilig Gotteslamm,

Die Seele mir gehoben

Zum treu'sten Bräutigam.
[130]

Nun trinkt beim Hochzeitsmahle

Sie Deiner Liebe Wein,

Sie tanzt im Sternensaale

Vor Dir den ew'gen Reih'n.


Sie hängt an Deinem Munde,

Sie ruht in Deinem Arm;

In Deiner Herzenswunde

Begräbt sie Freud' und Harm.


Gieb mehr, o Gott! zu trinken,

Gieb mehr der süßen Gluth

Und laß mich ganz versinken

In jene Wonnefluth!


Sondermühlen, 1822.


Quelle:
Louise Hensel: Lieder. Paderborn 41879, S. 128-131.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Lieder (Ausgabe von 1879)
Lieder: Ausgabe von 1879
Lieder aus dem Nachlaß

Buchempfehlung

Musset, Alfred de

Gamiani oder zwei tolle Nächte / Rolla

Gamiani oder zwei tolle Nächte / Rolla

»Fanni war noch jung und unschuldigen Herzens. Ich glaubte daher, sie würde an Gamiani nur mit Entsetzen und Abscheu zurückdenken. Ich überhäufte sie mit Liebe und Zärtlichkeit und erwies ihr verschwenderisch die süßesten und berauschendsten Liebkosungen. Zuweilen tötete ich sie fast in wollüstigen Entzückungen, in der Hoffnung, sie würde fortan von keiner anderen Leidenschaft mehr wissen wollen, als von jener natürlichen, die die beiden Geschlechter in den Wonnen der Sinne und der Seele vereint. Aber ach! ich täuschte mich. Fannis Phantasie war geweckt worden – und zur Höhe dieser Phantasie vermochten alle unsere Liebesfreuden sich nicht zu erheben. Nichts kam in Fannis Augen den Verzückungen ihrer Freundin gleich. Unsere glorreichsten Liebestaten schienen ihr kalte Liebkosungen im Vergleich mit den wilden Rasereien, die sie in jener verhängnisvollen Nacht kennen gelernt hatte.«

72 Seiten, 4.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon