11. Zaida's traurige Hochzeit
Spanisch

[33] [Vgl. zu Nr. 8.]


Auf ging schon der Stern des Abends,

Und die Sonne ging danieder,

Und die Nacht, des Tages Feindin,

Kam mit ihrem schwarzen Mantel:


Da ging aus mit ihr ein tapfrer

Mohr, der glich dem Rodomonte,

Aus Sidonja ging er zornig,

Eilt die Veja hin nach Xeres.


Voll Verzweiflung er da eilet,

Denn, troz seines edlen Stammes,

Hat ihn seine Braut verlassen,

Weil er ihr zu arm gedünket.


Und in dieser Nacht vermählet

Sie sich einem schlechten Mohren,

Weil er reich und in Sevilla

War Alcaide von Alcazar.


Schwere Seufzer aus dem Herzen

Thut er, über solch ein Unrecht:

Das ringsum die Veja tönet,

Und die Echo mit ihm klaget:
[33]

Zaida sprich, o du, ergrimmter

Als das Meer, das Schiffe schlinget!

Härter du und unerbittlich,

Wie des Felsens Eingeweide.


Wie? Grausame, kannst du dulden,

Nach so viel erzeigter Liebe,

Daß mit Pfändern, die ja mein sind,

Sich ein Fremder damit zieret?


Ist es möglich, daß du Liebe

Annimmst von der rauhen Eiche,

Und läßst dein geliebtes Bäumchen

Stehen sonder Frucht und Blüthe.


Du verlässest einen Armen,

Der wohl reich ist, und erwählest

Einen Reichen, ha, wie dürftig!

Wenn du Seelenreichthum kenntest.


Du verlässest deinen edlen

Gazul und sechs Jahre Liebe;

Gibst die Hand dem Albenzaid,

Den du ja noch kaum erkennest!


Nun so geb' es Alla! Feindin,

Daß er dich, wenn du ihn liebest,

Tief verabscheu und du weinen,

Eifersüchtig müssest seufzen!


Daß im Bette du ihm Eckel,

Ihm am Tisch Verdruß erweckest,

Daß zu Nacht du keinen Schlummer,

Tages keine Ruhe kennest.


Daß bei Tänzen und bei Festen

Nie du deine Farben sehest![34]

Nicht den Schleier den du nähtest,

Nicht den Ermel, den du sticktest.


Daß er den von seiner Bule,

Und mit ihres Namens Zuge,

Dir vor Augen trag', in Spielen

Dir auch zuzuschaun nicht gönne.


Nicht an Fenster, nicht an Pforte;

Damit dichs nur tiefer schmerze.

Und so haß ihn bis zum Tode,

Und genieß ihn viele Jahre,


Oder liebst du ihn, so müssest

Plözlich du ihn todt erblicken. –

Das ist doch wol alles Unglück,

So dir Männer wünschen können.

Das, geb Alla, müss' dich treffen

Stracks wenn du die Hand ihm reichest.


Mit den Flüchen, mit den Schwüren,

Kam er Mitternachts nach Xeres.

Fand den Pallast überdecket

Mit Geschrei und hellen Lichtern.


Und schon machten viele Diener

Plaz zum Zuge, liefen alle

Hie und da mit hellen Fackeln,

Alle reich in Livereien.


Dicht gerade vor den Bräutgam

Sezte Gazul sich in Bügel.

Mächtig stieß er seine Lanze,

Stieß die Brust ihm durch und durch.


Und der Plaz wird voller Aufruhr,

Und der Mohr zieht seinen Säbel,

Bahnet Weg sich hin durch alle,

Kehrt nach Medina zurück.[35]

Quelle:
Johann Gottfried Herder: Stimmen der Völker in Liedern. Stuttgart 1975, S. 33-36.
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