17. Die Herrlichkeit Granada's
Spanisch
Ein Gespräch König Juans und Abenamars

[44] Aus der Hist. de las guerras civiles p. 18.


Abenamar, Abenamar!

Mohr aus diesem Mohrenlande,

Jener Tag, der dich gebohren,

Hatte schöne grosse Zeichen:


An ihm stand das Meer in Ruhe,

Und der Mond, er war im Wachsen;

Mohr, wer unter solchen Zeichen

Ward gebohren, muß nicht lügen.


Drauf erwiederte der Mohr ihm:

(Wohl vernimm es, was er sagte!)

Nein, Sennor, ich lüge dir nicht,

Ob es mir das Leben koste.


Denn ich bin Sohn eines Mohren,

Und einer gefangnen Christin;

Und noch war ich Kind und Knabe,

Als die Mutter oft mir sagte:


Lügen, Sohn, das must du nimmer!

Lügen, Sohn, ist niederträchtig.

Um deswillen frage, König,

Und ich will dir Wahrheit reden.


»Habe Dank, Mohr Abenamar,

Daß du also höflich redest.

Was sind das für hohe Schlösser,

Die dort stehn und wiederglänzen?«
[44]

Dies, Sennor, ist der Alhambra,2

Und das andre die Mesquita;

Jenes sind die Alijares,

Wundernswürdig aufgeführet.


Und der Mohr, der auf sie führte,

Hatte Tags hundert Dublonen,

Aber wenn er nicht am Bau war,

Must' er Tages hundert zahlen.


Jenes ist der Gen'ralife,3

Ist ein Garte sonder Gleichen.

Diese Thürme sind Bermejas,

Sind ein Schloß von grosser Veste.


Da erwiedert König Juan:

(Wohl vernimm es, was er sagte!)

Wenn du es, Granada, wolltest,

Wollt' ich mich mit dir vermählen,

Gäbe dir zur Morgengabe

Mein Cordova und Sevilla.


»Bin vermählet, König Juan,

Bin vermählt und bin nicht Wittwe;

Mein Gemahl der Mohrenkönig,

Liebt mich, als sein grosses Gut.«[45]

2

Das Schloß der Mohrischen Könige. S. Plüers Reisebeschr., Ebelings Ausg. S. 322 u. f. Mesquita, die königliche Moschee.

3

Ein Lusthaus und Garten.

Quelle:
Johann Gottfried Herder: Stimmen der Völker in Liedern. Stuttgart 1975, S. 44-46.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Volkslieder
Werke: Zweiter Band. Volkslieder
Volkslieder
Volkslieder
Laßt in die Herzen sie dringen: Volkslieder (Insel Bücherei)
Werke. 10 in 11 Bänden: Band 3: Volkslieder. Übertragungen. Dichtungen

Buchempfehlung

Anselm von Canterbury

Warum Gott Mensch geworden

Warum Gott Mensch geworden

Anselm vertritt die Satisfaktionslehre, nach der der Tod Jesu ein nötiges Opfer war, um Gottes Ehrverletzung durch den Sündenfall des Menschen zu sühnen. Nur Gott selbst war groß genug, das Opfer den menschlichen Sündenfall überwiegen zu lassen, daher musste Gott Mensch werden und sündenlos sterben.

86 Seiten, 5.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Große Erzählungen der Frühromantik

Große Erzählungen der Frühromantik

1799 schreibt Novalis seinen Heinrich von Ofterdingen und schafft mit der blauen Blume, nach der der Jüngling sich sehnt, das Symbol einer der wirkungsmächtigsten Epochen unseres Kulturkreises. Ricarda Huch wird dazu viel später bemerken: »Die blaue Blume ist aber das, was jeder sucht, ohne es selbst zu wissen, nenne man es nun Gott, Ewigkeit oder Liebe.« Diese und fünf weitere große Erzählungen der Frühromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe ausgewählt.

396 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon