Allerseelen

Geht ein Tag ferne aus, kommt ein Abend.

Brennt ein Stern in der Höhe zur Nacht.

Wehet das Gras. Und die Wege alle

Werden in Dämmrung zusammengebracht.


Viele sind über die Steige gegangen.

Ihre Schatten sind ferne zu sehn,

Und sie tragen an schwankenden Stangen

Ihre Fackeln, die wandern und wehn.


Mauern sind viele, und Gräber, und wenige Bäume.

Manche Tore darin, wo der Lorbeer trauert.

Viele sitzen in Haufen über den Kreuzen,

Ihre Lichter behütend, wenn der Regen schauert.


Und ein Rot steckt im Walde, dürr wie ein Finger,

Wo der Abend hänget in wolkiger Zeit

Mit dem wenigen Licht. Und geringer

Rings ist das Nahe, und die Weite so weit.


Doch ewig ist der Wind, der nimmer schweiget

In dunklem Lande, herbstlich schon erbraunet,

Der dunkle Bilder viel vorüber zeiget

Und dunkle Worte flüchtig trübe raunet.[446]

Quelle:
Georg Heym: Dichtungen und Schriften. Band 1, Hamburg, München 1960 ff., S. 443-444,446-447.
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