Die Nacht

[335] Alle Flammen starben in Nacht auf den Stufen.

Alle Kränze verwehten. Und unten im Blute verloren

Seufzte das Grauen. Wie hinter Gestorbener Toren

Manchmal es fern noch hallt von dunkelen Rufen.


Eine Fackel noch oben bog aus den Gängen,

Lief im Chor. Und versank wie das Haar der Dämonen

Rot und rauchend. Doch draußen der Waldung Kronen

Wuchsen im Sturm und zerrten sich in die Länge.


Und in Wolken hoch kamen mit wilden Gesängen

Weiß die Greise der Stürme, und riesige Vögel scheuchten

Über den Himmel hinab, wie Schiffe mit feuchten

Segeln, die schwer auf den Wogen hängen.


Aber die Blitze zerrissen mit wilden und roten

Augen die Nacht, die Öde der Säle zu hellen,

Und in den Spiegeln standen mit Köpfen, den grellen,

Drohend herauf mit schwarzen Händen die Toten.


Bleibe bei mir. Daß unsere Herzen nicht stocken

Wenn die Türen sich auftun ins Finstere leise

Und in der Stille es steht. – Und sein Atem von Eise

Unsere Adern verdorrt und die Seelen macht trocken
[335]

Daß sie dünn wie ein Hauch aus der Tiefe sich lösen,

Flattern hinaus in die Nacht und sinken und fallen

Dürr wie die Blätter, die traurig am Boden wallen

Schlürfend ins Leere dahin, im Winde dem bösen.


Wenn der Donner Gelächter im Dunkel verhallen.
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Quelle:
Georg Heym: Dichtungen und Schriften. Band 1, Hamburg, München 1960 ff., S. 335-337.
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