Die Vögel

[496] Wie trübe Morgen langsamer Tage

Über den Seen und Sümpfen voll Klage

Über dem schillernden Schilf ruht die Nacht

Regen [beginnt]. In den Bäumen erwacht


Ein Geschrei. Und huschen die Hunde

Rund um die Mauern mit heiserem Munde.

Aber die Türme steigen von Bergen, bleichen,

Hockend stumm um die verschrumpften Teiche.


Eine Fackel brennt auf. Und die Vögel der Öden

Hoch herauf zu Himmels-Böden

Schwer flattern von den kahlen Horsten

Riesiger Bäume mit großen Schwingen zerborsten,


Langsam mit ihren gewaltigen Händen

Fassend die Nacht an den dunkelnden Enden

Drohend wie Schatten und böse Gedanken,

Die in brechenden Wolken schwanken.


Plötzlich stürmet vorbei an dem Mond ein Geschwirre.

Und er schreit wie ein Kind vor der Federn Geklirre.

Schlagend den Flügel, nisten sie über ihm,

Und krähen ein Lied aus den Schnäbeln so grün.
[496]

Quelle:
Georg Heym: Dichtungen und Schriften. Band 1, Hamburg, München 1960 ff., S. 496-497.
Lizenz:
Kategorien: