[432] Vorige. Gneisenau tritt aus der Thür, hinter ihm zwei Adjutanten.
GNEISENAU.
Was geht hier vor?
GRÜNEBERG der mit Geertz sich von den Andern ferngehalten hat.
Herr Commandant –
HEINRICH auf der untersten Treppenstufe.
Ich habe
Das Wort zu führen. Herr Major, Sie hielten
So eben Kriegsrath. Darf die Stadt erfahren,
Was Sie zu thun beschlossen?
GNEISENAU.
Was die Ehre
Der Stadt erheischt und unsre Pflicht.
HEINRICH.
Sie wissen,
Daß Danzig fiel. Es kann nur Ihre Pflicht sein,
Colberg zu retten.
GNEISENAU.
Junger Mann, wer sind Sie,
Mich meiner Pflicht zu mahnen?
HEINRICH.
Ich? Ein Bürger,
Nichts mehr, nichts wen'ger. Doch zugleich der Einz'ge,
Der hier zu reden wagt, wo Alles schweigt.
Und so erfahren Sie: mit Knirschen trägt
Die Stadt das Joch der aufgezwungnen Ehre
Und will ein Ende machen. Wir verlangen[432]
Frieden auf billige Bedingungen
Mit einem zehnfach übermächt'gen Feind,
Dem Stand zu halten nur der Wahnsinn hofft.
GNEISENAU zu den Adjutanten.
Seltsam! Die Alten hier sind alle wacker,
Und nur die Jugend sehnt sich feig nach Ruhe.
Gehn wir!
HEINRICH.
Wie? feige? Nun bei Gott, ich hätte
Wohl Lust, Sie eines Bessern zu belehren,
Auf Kugelweite, oder blanke Waffen.
Dies aber dünkte mir ein billiger Muth;
Der größre: meiner Meinung treu zu sein
Auf jegliche Gefahr. Ha, wär' ich feig,
Ich schwiege weislich, gleich den Andern, ging'
Im Schlepptau mit und ließe Die gewähren,
Die unser Colberg ins Verderben ziehn.
GNEISENAU.
Ist Niemand hier, ihn in sein Haus zu führen,
Daß er den Rausch ausschlafe?
Er steigt ruhig die Stufen hinab.
HEINRICH sich ihm in den Weg stellend.
Herr Major,
Nicht von der Stelle!
GNEISENAU ihn zurückstoßend.
Rasender, du wagst –?
So muß ich dich unschädlich machen. – Wachen,
Nehmt diesen Trunknen fest!
HEINRICH zurückfahrend.
Wer rührt mich an?
GNEISENAU zur Wache.
Vorwärts!
HEINRICH ein Pistol ziehend.
Zurück! Hier diese Kugel Dem,
Der sich vergreift an mir. Soll die Vernunft[433]
In Colberg mundtodt sein, indeß der Wahnwitz
Das letzte Wort behält?
Zu den Bürgern.
Und ihr – ihr steht
Und duldet schweigend –
GNEISENAU.
Wirf die Waffe weg,
Verblendeter! Du spielst um deinen Kopf.
ROSE.
Heinrich!
HEINRICH.
Ich will Sie zwingen, mich zu hören,
Nichts weiter.
GNEISENAU.
Zwingen? mich? den Commandanten?
Laß sehn!
Tritt plötzlich auf ihn zu, faßt ihn am Arm, der Schuß geht los.
GNEISENAU Heinrich die Pistole entreißend und sie fortschleudernd.
Führt den Verbrecher in Arrest!
Wachen nehmen Heinrich in die Mitte.
ROSE.
Heiliger Gott!
GRÜNEBERG UND GEERTZ.
Der Rasende, er schoß!
BÜRGER.
Auf unsern Commandanten legt' er an!
GNEISENAU.
Das Kriegsgericht tritt heute noch zusammen.
Hinweg!
Wendet sich zum Gehen.
ROSE vorstürzend.
Gnade!
GNEISENAU.
Kein Wort mehr!
ROSE.
O mein Bruder!
Sie will sich ihm nähern, er wendet sich trotzig von ihr ab.
Ausgewählte Ausgaben von
Colberg
|
Buchempfehlung
Als Blaise Pascal stirbt hinterlässt er rund 1000 ungeordnete Zettel, die er in den letzten Jahren vor seinem frühen Tode als Skizze für ein großes Werk zur Verteidigung des christlichen Glaubens angelegt hatte. In akribischer Feinarbeit wurde aus den nachgelassenen Fragmenten 1670 die sogenannte Port-Royal-Ausgabe, die 1710 erstmalig ins Deutsche übersetzt wurde. Diese Ausgabe folgt der Übersetzung von Karl Adolf Blech von 1840.
246 Seiten, 9.80 Euro
Buchempfehlung
1799 schreibt Novalis seinen Heinrich von Ofterdingen und schafft mit der blauen Blume, nach der der Jüngling sich sehnt, das Symbol einer der wirkungsmächtigsten Epochen unseres Kulturkreises. Ricarda Huch wird dazu viel später bemerken: »Die blaue Blume ist aber das, was jeder sucht, ohne es selbst zu wissen, nenne man es nun Gott, Ewigkeit oder Liebe.« Diese und fünf weitere große Erzählungen der Frühromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe ausgewählt.
396 Seiten, 19.80 Euro