[143] Rührt mich heut so seltsam wieder
Wie mit langverschollnem Klang
Dieser leichten Jugendlieder
Süßverworrner Herzensdrang?
Rauscht noch einmal auf die Welle
Des versunknen Jugendborns
Und dazwischen silberhelle
Widerhall des Wunderhorns?
Und ich lausche halb verwundert,
Halb belustigt und erfreut.
War ich doch ein halb Jahrhundert
Jünger dazumal als heut.
Manches hör' ich euch erzählen,
Was ich damals lieblich fand,
Was mit euch, ihr Liederseelen,
Traumhaft wieder auferstand.
Spukt ihr nun am hellen Tage
Mit verwundertem Gesicht,
Merkt zu spät: die Mitwelt frage
Nach Gespensterlyrik nicht?
Andre Zeiten, andre Lieder;
Unausfüllbar ist die Kluft.
Kehrt getrost zum Schlafen wieder
Heim in die Familiengruft.
Aber wie? Ich hör' euch bitten:
Laß uns, Alter, hier im Licht!
Zwar nicht allzu wohlgelitten,
Aber tot sind wir noch nicht.
[143]
Wirst uns nicht zur Ruhe bringen,
Denn nicht alle sind wir stumm.
Gehn doch auf Gesangesschwingen
Unser viele noch herum. –
Nicht verhallen soll vergebens
Kindesflehn am Vaterohr;
So erfreut euch denn des Lebens,
Das in euch noch quillt empor.
Ach, ich bin aus guten Gründen
Gegen euch, ihr Kleinen, schwach!
Rufen uns nicht Jugendsünden
Unsre Jugend wieder wach?
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