[189] S.
So komm doch heraus ins Freie zu mir!
So komm doch, o Winter! ich tanze mit dir.
W.
Ich mag nicht tanzen, ich geh' nicht hinaus,
Viel lieber ist mir am Ofen zu Haus.
S.
O sieh doch, wie Alles hüpfet und springt!
O hör doch, wie draußen die Nachtigall singt!
W.
Laß springen und singen nur immerzu –
Ich lieg' im Bett und pflege der Ruh.
S.
So jag' ich dich fort von Hof und Haus,
Und treibe dich weit in die Welt hinaus.
W.
Und bin ich dann ein vertriebener Mann,
So steig' ich die Alpen da droben hinan.
[189] S.
Auch droben da wirst du nicht sicher sein,
Ich schicke dir nach den Sonnenschein.
W.
Und willst du nicht Frieden halten mit mir,
So komm' ich gar zeitig hinab zu dir.
S.
Und kommst du, so nehm' ich zum Aufenthalt
Die Laubern und Blumen im grünen Wald.
W.
So komm' ich mit Reif und mit Schnee und mit Eis
Und mache den grünen Wald dir weiß.
S.
So kriech' ich mit meinen Blümelein
Tief unter das Gras in die Erde hinein.
W.
So deck' ich mit weißen Laken dich zu,
Dann hab' ich vor dir doch endlich Ruh.
S.
Dann ruf' ich die Sonne mit ihrem Schein,
Die jagt dich dann fort in die Welt hinein.
W.
Und jagt sie mich fort, was mach' ich mir draus?
Sie jagt mich doch nie aus der Welt hinaus.
So necken sich Winter und Sommer fürwahr,
So necken sie sich doch jegliches Jahr,
Und necken sich fort bis in Ewigkeit,
Denn ewig ist Winter und Sommerzeit.
Ausgewählte Ausgaben von
Kinderlieder
|
Buchempfehlung
In der Nachfolge Jean Pauls schreibt Wilhelm Raabe 1862 seinen bildungskritisch moralisierenden Roman »Der Hungerpastor«. »Vom Hunger will ich in diesem schönen Buche handeln, von dem, was er bedeutet, was er will und was er vermag.«
340 Seiten, 14.80 Euro
Buchempfehlung
Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Dass das gelungen ist, zeigt Michael Holzingers Auswahl von neun Meistererzählungen aus der sogenannten Biedermeierzeit.
434 Seiten, 19.80 Euro