Die alte Leier

[94] So tröstet euch nun mit diesen Worten unter einander.

1. Thessalon. 4, 18.


Der Edelmann, er schenkt sich fleißig ein:

Ich kenne nur noch diesen Gänsewein.

Mein Vater weiland zahlte keine Steuer;

Das Korn ist wohlfeil jetzt, das Leben theuer.

Doch liegt ein Trost in einer alten Sage,

Die hat sich fortgepflanzt in unsre Tage

Bei allen Armen, Müden, Altersschwachen:

Der König wird uns glücklich machen.


Der Spielmann hängt die Zitter an die Wand:

Wie glücklich könnte sein der Musikant!

Ich nahm doch nächten hübsches Geldchen ein,

Und 's langt mir noch nicht zum Gewerbeschein.

Doch liegt ein Trost in einer alten Sage,

Die hat sich fortgepflanzt in unsre Tage

Bei allen Armen, Müden, Altersschwachen:

Der König wird uns glücklich machen.[94]


Der Bauer stürzt spät Abends seinen Pflug:

So hab' ich heute mich gequält genug!

Froh wär' ich, wüßt' ich nur, wovon ich heuer

Bezahlte meine Grund- und Classensteuer.

Doch liegt ein Trost in einer alten Sage,

Die hat sich fortgepflanzt in unsre Tage

Bei allen Armen, Müden, Altersschwachen:

Der König wird uns glücklich machen.


Der Dorfschulmeister macht die Schulthür zu:

Heut sind es funfzig Jahr, gern hätt' ich Ruh –

Wie aber wenn ich nun entlassen werde?

Dann fängt erst an die Sorg' und die Beschwerde.

Doch liegt ein Trost in einer alten Sage,

Die hat sich fortgepflanzt in unsre Tage

Bei allen Armen, Müden, Altersschwachen:

Der König wird uns glücklich machen.


So tröstet euch nun mit diesen Worten unter einander.

1. Thessalon. 4, 18.

Quelle:
August Heinrich Hoffmann von Fallersleben: Unpolitische Lieder von Hoffmann von Fallersleben, 1. + 2. Theil, 2. Theil, Hamburg 1841, S. 94-95.
Lizenz:
Kategorien: