Verzweiflung

[34] Die Augen schloß ich traurig zu,

Die Hände deckten meine Stirne,

Ich war entblöst von Lust und Ruh',

Der Schmerz durchwühlte mein Gehirne.

Bald wacht' ich auf, bald schlief ich ein,

Bald wollt' ich todt und Asche sein,

Bald wünscht' ich, weit von hier zu leben;

Und daß ja Nichts sei unbekannt,

So hat die Thorheit meiner Hand

Papier und Feder übergeben.


Auf, auf, mein Sinn! und du, mein Fuß!

Ich kann nicht länger hier verziehen;

Mein Warten bringet mir Verdruß;

Ich wünsche, von der Welt zu fliehen.[35]

Ich mag nicht Scepter, mag nicht Gold;

Man sei mir feind, man sei mir hold,

Es soll mich Beides gleich erquicken.

Die Liebe, so uns närrisch macht

Und uns bezwingt mit dicker Nacht,

Soll mir den Compaß nicht verrücken.


Ich lache, wenn ich überhin

Mein dummes Leben überlege

Und das, worauf ich kommen bin,

In den Gedanken recht erwäge;

Mir zittern Beides, Mark und Bein,

Die Stirne wird wie Eis und Stein;

Es will Geblüt und Geist erstarren. –

Genug geirrt, genug geklagt!

Den Irrthum hat die Zeit verjagt;

Ich will nicht länger hier verharren.


Und daß die Feder nicht zu viel

Von meinem bösen Leben sage,[36]

So habe sie hiermit ihr Ziel;

Ich will nicht, daß sie ferner klage.

Mit diesem geht mein Wallen an.

Wohl jedem, der da bleiben kann!

Mein Wohlsein such' ich im Verderben.

Ihr guten Freunde, gute Nacht!

Der Wunsch sei euch von mir vermacht:

Mein Leben mag mein Feind ererben.

Quelle:
Auserlesene Gedichte von Christian Hoffmann von Hoffmannswaldau, Daniel Caspar von Lohenstein, Christian Wernike, Friedrich Rudolf Frhr. von Canitz, Christian Weise, Johann von Besser, Heinrich Mühlpforth, Benjamin Neukirch, Johann Michael Moscherosch und Nicolaus Peucker, Leipzig 1838, S. 34-37.
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