[Clorinde/ kanst du lustig stehen]

C.H.v.H.


Clorinde/ kanst du lustig stehen/

Wenn einer rose schönes haupt

Auff ihrem stocke muß vergehen/

Nicht etwa von der faust geraubt/

So sie mit würden könte tragen/

Sie legen auff die schöne brust/

Und mit erfrischtem hertzen sagen:

Hier ist ein königreich voll lust.


Nein/ nein/ du schaust bestürtzt darnieder/

Läst tieffe seuffzer von dir gehn/

Das kleinste deiner zarten glieder

Muß in dem trauer-stande stehn;

Wie klagstu über solche sachen/

Die man in allen gärten bricht?

Laß dich dasselbe traurig machen/

So dir ein übel urtheil spricht.


Erkenne dich/ und lerne kennen/

Daß/ wo itzt blut und blüte siegt/

Wo allerhand begierden brennen/

Einst eine faule wurtzel liegt.

Es werden deine zarte wangen

Nicht stetig rosen-stöcke seyn/

Bey ihnen fällt so wohl das prangen/

Als bey der rose zier und schein.


Drum laß mich deine rosen brechen/

Weil hier noch stock und blüte neu/[431]

Ach weine! werd ich selten sprechen/

Das frische graß giebt welckes heu.

Komm/ komm/ und folge meiner lehre/

Die Venus hat es auch gethan/

Und tausend mehr/ was ist die ehre?

Ein kluges nichts/ ein blosser wahn.

Quelle:
Herrn von Hoffmannswaldau und anderer Deutschen auserlesener und bißher ungedruckter Gedichte erster Teil, Tübingen 1961, S. 426-427,431-432.
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