An Lauretten

[406] C.H.v.H.


Laurette bleibstu ewig stein?

Soll forthin unverknüpffet seyn

Dein englisch-seyn und dein erbarmen?

Komm/ komm und öffne deinen schooß

Und laß uns beyde nackt und bloß

Umgeben seyn mit geist und armen.


Laß mich auff deiner schwanen-brust

Die offt-versagte liebes-lust

Hier zwischen furcht und scham geniessen.

Und laß mich tausend tausendmahl/

Nach deiner güldnen haare zahl/

Die geister-reichen lippen küssen.
[407]

Laß mich den ausbund deiner pracht/

Der sammt und rosen nichtig macht/

Mit meiner schlechten haut bedecken;

Und wenn du deine lenden rührst/

Und deinen schooß gen himmel führst/

Sich zucker-süsse lust erwecken.


Und solte durch die heisse brunst/

Und deine hohe gegen-gunst

Mir auch die seele gleich entfliessen.

So ist dein zarter leib die bahr/

Die seele wird drey viertel jahr

Dein himmel-rundter bauch umschliessen.


Und wer alsdenn nach meiner zeit

Zu lieben dich wird seyn bereit/

Und hören wird/ wie ich gestorben/

Wird sagen: Wer also verdirbt/

Und in dem zarten schoosse stirbt/

Hat einen sanfften tod erworben.


Quelle:
Herrn von Hoffmannswaldau und anderer Deutschen auserlesener und bißher ungedruckter Gedichte erster Teil, Tübingen 1961, S. 406-408.
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