Tibald an Lettice von Hort

[74] Lebt meine Todte noch? ist nichts an ihr verblichen?

Greift die Verwesung ihr nicht Brust und Lippen an?

Du sturbest nur der Welt, mir bistu nicht entwichen,

Du weist wohl, daß dein Fürst dich nicht entbehren kan.

Ich darf dir noch zur Zeit nicht eine Grabschrifft machen,

Ich denck itzt an den Sarg, und an den Marmel nicht,

Du kanst mit frischem Muth itzt deines Grabes lachen,

Und schaust noch, dem du gleichst, das schöne Tages-Licht.

Zu Flammen magstu wohl, doch nicht zu Asche werden,

Denn jene zieren dich, diß ist zu früh vor dich,

Den Mund, den schönen Arm, die Anmuth der Gebehrden,[74]

Begehret nicht der Todt, er läßt es noch vor mich.

Du bist der werthe Zoll, den mir die Schönheit giebet,

Wann durch mein Hertzogthum, sie ihre Wahren führt,

Es scheint, der Himmel selbst hat deinen Leib geliebet,

Dieweil er ihn so reich mit seinen Gaben ziehrt.

Kan nun des Himmels Hand sich deiner nicht enthalten,

Wie solte denn der Mensch dir ungewogen seyn?

Die Liebe heist mich itzt des Himmels statt verwalten,

Ich stelle mich bey dir mit meinem Hertzen ein.

Wie aber lebestu? was kanstu schönes schauen?

Nichts als die Einsamkeit, des Todes Ebenbild,

Du siehest ihre Hand ein Schloß der Schwermuth bauen,

Und bist wie mich bedeucht mit Schwermuth selbst erfüllt;

Ich wolte dich also in diesen Schatten legen,

Dieweil ich deinen Leib hab allzuwerth geacht,

Es wird ein Diamant von seiner Hoheit wegen,

Mit Riegeln wohlverwahrt, und unter Schlösser bracht.

Das Licht ist nicht vor dich, du kennst den Lauf der Zeiten,

Des Hofes Auge sieht vor mich und dich zu scharf,

Es weiß der Baum der Gunst sich hier nicht recht zu breiten,

Ach das ein Hertzog nicht die Satzung brechen darf.

Wir sollen Fürsten seyn und dienen den Gesetzen,

Man bücket sich vor uns, und stöhrt doch unser Lust,

Wir können ohne Fleck uns nirgends recht ergetzen,

Und was man Freyheit heist, das bleibt uns unbewust.

Dein Auge zwinget mich, ich kan dich nicht verlassen,

Man tadelt diß an mir, was ich nicht ändern kan,

Es heist mich die Natur dich hitzig zu ümfassen,

Und das Gesetze sagt es sey nicht recht gethan.

Drum muß ich diesem nur dich aus den Augen bringen,

Und diß verborgen thun, was die Natur begehrt,

Der Himmel wird mich ja nicht über Kräfften zwingen,

Er hat der Sterbligkeit nicht alle Lust verwehrt.

Jetzt weiß ich was es sey im Hertzen zuentbrennen,

Und aus dem Munde stets zu blasen Eiß und Schnee,

Den Nahmen der uns zeucht, zu keiner Zeit zunennen,

Zu seegeln wie man will auf dieser trüben See.

Mit Maßquen wohl verdeckt zu Leid und Lust zugehen,

Des Auges Herr zu seyn, so stets Verräther ist,[75]

Wenn uns die Liebe führt, in gleicher Schnur zustehen,

Daß aus den Taumeln man nicht unsern Trunck erkießt.

Ich weiß es was es sey, was aber hilft das Wissen?

Welch Kluger hat sich klug bey Liebes Brunst erzeigt?

Dann wenn man diese Gluth im Hertzen will verschlüssen,

So spührt man, daß sie uns in das Gesichte steigt.

Sie dolmetscht unvermerckt bey Freunden, Weib und Kinde,

Sie steckt oft auf ein Wort die hohe Blut Fahn aus,

Wer ist auf dieser Welt der ihre Kräfften binde?

Sie steiget auf das Dach, verbeut man ihr das Hauß,

Es gehe wie es will ich weiß dich nicht zuhassen,

Und noch zur Zeit ist Uns der Himmel wolgeneigt,

Man sagt von deinem Todt allhier auf allen Gassen,

So der Gemahlin auch genug zu Hertzen steigt.

Es hat mein gantzer Hoff den Purpur hingeleget,

Man klagt, daß die von Hort itzt fault in schwartzer Gruft,

Und durch die Priesterschaft wird dieses Land beweget,

Daß iederman vor dich zu dem Erlöser rufft.

Die Glocken klingen scharf, man fragt: wer ist gestorben?

Die Antwort folgt darauff: Des Hofes Zierd und Pracht;

Du hast bey vielen dir ein schönes Lob erworben,

So dich zur Heiligen und mich zum Ketzer macht.

Ein ieder schwatzet itzt von deiner Art zuschertzen,

Die durch ein süsses Gift den Hertzog selber fing,

Der als dein Opferknecht verknüpft mit Hand und Hertzen,

Mit süssem Weirauch dir gebückt entgegen ging.

Man sagt wie sanffte du das Leben hast beschlossen,

Wie sich so zierlich dir gestreckt hat Hand und Fuß,

Und wie du nun vielleicht des Himmels hast genossen,

Die Liebe macht, daß auch die Cantzel lügen muß.

Der Himmel zürnet nicht, daß ich mich unterwinde,

Durch Messen und Gebeth zu blenden dieses Landt,

Der Höchste kennet mich, und auch die schöne Sünde,

Diß, was dein Auge kan, ist ihm nicht unbekannt.

Ich weiß genug, was uns hat Moses fürgeschrieben,

Mit was das strenge Recht uns arme Menschen schreckt,

Wer aber schreibt mir nun ein Mittel für das Lieben,

Wenn dieser scharffe Brandt in Hertz und Adern steckt.[76]

Man saget, Salomon der habe von den Kräfften,

Die in den Kräutern seyn, ein grosses Buch gemacht,

Er starb vielleicht verliebt bey Pulvern und bey Säfften,

Denn vor die Liebe hat noch keiner was erdacht.

Ich bleibe was ich bin, bleib du in deinen Schaten,

Und stirb der grossen Welt und deinen Freunden ab,

Du sollst durch meine Hand noch in ein Licht gerathen,

So dir erleuchten kan das schwartze Trauer Grab.

Ich will die Leiche dir mit Diamanten ziehren,

Ich will mit starcker Hand zubrechen diesen Stein,

Ich will dich wohl geküst aus deinem Sarge führen;

Getrost, in kurtzen soll dein Aufferstehung seyn.

Quelle:
Deutsche Nationalliteratur, Band36, Stuttgart [o.J.], S. 74-77.
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