Lebensquell

[116] Die Frühlingsfluten ziehn durch meinen Geist:

Verwandte Gärung fühl ich sich ergießen

Durch tausend Knospen, die sich heut erschließen,

Und neues Leben dampft und quillt und kreist.


Das ist des ewgen Jugendbrunnens Fließen,

Der jedem Jahr die gleiche Fülle weist:

In neuer, feuchtverklärter Schönheit gleißt

Was er benetzt, und locket zum Genießen:


Gedanken, kommt und trinkt euch neues Leben:

Du scheue Hoffnung, fastverklungnes Fühlen,

Du halbverzagtes, wegemüdes Streben,


Laßt euch von lichter Lebensflut umspülen,

Ihr Träume, Bilder, die ich täglich schaue,

Daß euch auf immer dieser Glanz betaue.

Quelle:
Hugo von Hofmannsthal: Gesammelte Werke in zehn Einzelbänden. Band 1: Gedichte, Dramen, Frankfurt a.M. 1979, S. 116.
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