XI. Gesang.

[178] Am Morgen rüstet sich Agamemnon und führt zur Schlacht. Hektor ihm entgegen. Vor Agamemnons Tapferkeit fliehn die Troer. Zeus vom Ida sendet dem Hektor Befehl, bis Agamemnon verwundet sei, den Kampf zu vermeiden. Der verwundete Agamemnon entweicht und Hektor dringt vor. Verwundet kehrt Diomedes zu den Schiffen; dann Odysseus, von Ajas aus der Umzingelung gerettet; dann Machaon und Eurypylos. Zu Nestor, der mit Machaon vorbeifuhr, sendet Achilleus den Patroklos zu fragen, wer der Verwundete sei. Patroklos, durch Nestors Rede gerührt, begegnet dem Eurypylos, führt ihn voll Mitleid ins Zelt und verbindet ihn.


Eos nunmehr aus dem Lager des hochgesinnten Tithonos

Hub sich, Göttern das Licht und sterblichen Menschen zu bringen.

Zeus nun sandte daher zu den rüstigen Schiffen Achaias

Eris, die schreckliche Göttin, das Zeichen des Kampfs in den Händen.

Und sie betrat des Odysseus gewaltiges dunkeles Meerschiff,

Welches die Mitt einnahm, daß beiderseits sie vernähmen,

Dort zu Ajas Gezelten hinab, des Telamoniden,

Dort zu des Peleionen, die beid an den Enden ihr Schiffheer

Aufgestellt, hochtrotzend auf Mut und Stärke der Hände.

Hier nun stand die Göttin und schrie, machtvoll und entsetzlich,

Laut an Achaias Heer und rüstete jeglichen Mannes

Busen mit Kraft, rastlos im Streite zu stehn und zu kämpfen.

Allen sofort schien süßer der Krieg, als wiederzukehren

In den gebogenen Schiffen zum lieben Lande der Väter.

Atreus' Sohn auch rief und ermahnete, schnell sich zu gürten,

Argos' Volk; auch deckt' er sich selbst mit blendendem Erze.

Eilend fügt' er zuerst um die Beine sich bergende Schienen

Blank und schön, anschließend mit silberner Knöchelbedeckung;

Weiter umschirmt' er die Brust ringsher mit dem ehernen Harnisch,

Welchen Kinyras einst zum Gastgeschenk ihm verliehen.

Denn er vernahm in Kypros den großen Ruf der Achaier,[178]

Daß sie vereint gen Troja hinaufzuschiffen beschlossen;

Darum schenkt' er ihm jenen, gefällig zu sein dem Beherrscher.

Ringsum wechselten zehn blauschimmernde Streifen des Stahles,

Zwölf aus funkelndem Gold und zwanzig andre des Zinnes;

Auch drei bläuliche Drachen erhuben sich gegen den Hals ihm

Beiderseits, voll Glanz wie Regenbogen, die Kronos'

Sohn in die Wolken gestellt, den redenden Menschen zum Zeichen.

Hierauf warf er das Schwert um die Schulter sich; goldene Buckeln

Leuchteten über das Heft, und die Kling umhüllte die Scheide

Silberhell, am Gehenk von strahlendem Golde befestigt.

Drauf den gewaltigen Schild, den ringsbedeckenden, hub er,

Schön von Kunst; ihm liefen umher zehn eherne Kreise.

Auch umblinkten ihn zwanzig von Zinn gewölbete Nabel,

Weiß, und der mittlere war von dunkeler Bläue des Stahles.

Auch die Schreckensgestalt der Gorgo drohete schlängelnd

Mit wutfunkelndem Blick, und umher war Graun und Entsetzen.

Silbern war des Schildes Gehenk, und gräßlich auf diesem

Schlängelt' ein bläulicher Drache dahin; drei Häupter des Scheusals

Waren umhergekrümmt, aus einem Halse sich windend.

Drauf umschloß er das Haupt mit des Helms viergipflichter Kuppel,

Von Roßhaaren umwallt, und fürchterlich winkte der Helmbusch.

Auch zwo mächtige Lanzen, gespitzt mit der Schärfe des Erzes,

Faßte der Held, daß ferne das Erz zum erhabenen Himmel

Leuchtete. Laut her donnerten nun Athenäa und Here,

Hoch zu ehren den König der golddurchstrahlten Mykene.

Jetzo gebot ein jeder dem eigenen Wagenlenker,

Dort am Graben die Ross' in geordneter Reihe zu halten.

Aber die Streiter zu Fuß, mit ehernen Waffen gerüstet,

Drangen voran, und laut erscholl ihr Geschrei in der Dämmrung.

Vor den Reisigen zogen sie nun, am Graben geordnet;

Nahe folgeten dann die Reisigen. Aber Getümmel

Tobte durchs Heer, von Kronion erregt, der hoch aus dem Äther

Tau mit Blute gesprengt ausschüttete; denn er gedachte

Viele tapfere Häupter hinabzusenden zum Ais.

Jenseits hielten die Troer geschart auf dem Hügel des Feldes;

Hektor der Große gebot und der edle Polydamas jenen,

Auch Äneias, geehrt wie ein Gott im Volke der Troer,[179]

Polybos auch und Agenor der Held und der mutige Jüngling

Akamas, Göttern gleich, drei tapfere Söhn' Agenors.

Hektor durchging die ersten mit rundgewölbetem Schilde.

So wie aus Nachtgewölk ein Stern zum Verderben hervorblickt,

Strahlend umher, dann wieder sich taucht in schattende Wolken:

Also erschien itzt Hektor, die vordersten rings durchwandelnd

Jetzo im äußersten Zug, und ordnete; ganz in dem Erze

Leuchtet' er, ähnlich dem Strahl des ägiserschütternden Vaters.

Siehe, nunmehr wie Schnitter, entgegenstrebend einander,

Grade das Schwad hinmähn auf der Flur des begüterten Mannes,

Weizen oder auch Gerst, und die sinkenden Bunde sich häufen:

Also stürmten die Troer und Danaer gegeneinander,

Mordend, nicht hier noch dort der verderblichen Flucht sich erinnernd.

Haupt an Haupt drang alles zur Feldschlacht, und wie die Wölfe

Tobten sie. Froh nun schaute die jammererregende Eris;

Denn sie allein war noch der Unsterblichen unter den Streitern,

Und kein anderer Gott gesellte sich, sondern geruhig

Saßen sie all in den eignen Behausungen, dort wo für jeden

Prangt' ein schöner Palast auf den steigenden Höhn des Olympos.

Alle tadelten sie den schwarzumwölkten Kronion,

Weil er beschloß, den Troern des Sieges Ruhm zu verleihen.

Doch nicht achtete dessen der Donnerer; ferne gesondert

Schied er hinweg von den andern und setzte sich, freudigen Trotzes,

Weit umschauend der Troer Stadt und die Schiffe Achaias,

Und den Glanz des Erzes und Würgende rings und Erwürgte.

Weil noch Morgen es war und der heilige Tag emporstieg,

Hafteten jeglichen Heeres Geschoss', und es sanken die Völker.

Doch wenn ein Mann, holzhauend im Forst, sein Mahl sich bereitet

An des Gebirges Abhängen, nachdem er die Arme gesättigt,

Ragende Bäume zu haun, und Unlust drang in die Seele,

Und nach erquickender Kost sein Herz vor Verlangen ihm schmachtet:

Jetzo mit Kraft durchbrachen die Danaer kühn die Geschwader,

Rufend den Freunden umher in den Ordnungen. Sieh, Agamemnon

Stürmte voran und entraffte den Völkerhirten Bianor,

Ihn, und darauf den Genossen, den Wagenlenker Oileus.

Dieser schwang sich herab vom Wagengeschirr und bestand ihn;

Doch in des grad Anstrebenden Stirn mit spitziger Lanze[180]

Stach er, und nicht verwehrte des Helms erzlastende Kuppel,

Sondern sie drang durch Erz und Schädel ihm und sein Gehirn ward

Ganz mit Blute vermischt; so bändigt' er jenen im Angriff.

Sie nun ließ er daselbst, der Völkerfürst Agamemnon,

Nackt die schimmernden Brüste nach abgehülleten Panzern,

Eilte sodann auf Isos und Antiphos, gierig des Mordes,

Söhne des Priamos beid, unecht und ehelich, beide

Stehend in einem Geschirr. Der Bastard lenkte die Zügel,

Antiphos stand zum Kampfe, der Herrliche; sie, die Achilleus

Einst auf Idas Höhn mit weidenen Gerten gefesselt,

Als er hütend der Schafe sie fand, und um Lösung befreiet.

Aber des Atreus Sohn, der Völkerfürst Agamemnon,

Jenem über der Warze durchschoß er die Brust mit der Lanze;

Antiphos haut' er am Ohr mit dem Schwert und stürzt' ihn vom Wagen.

Schnell entzog er darauf der Getöteten prangende Rüstung,

Kennend beid; er sah sie vordem bei den rüstigen Schiffen,

Als sie vom Ida geführt der mutige Renner Achilleus.

So wie ein Leu der Hindin noch unbehilfliche Kinder

Leicht nacheinander zermalmt, mit mächtigen Zähnen sie fassend,

Wann er im Lager sie traf und ihr blühendes Leben entreißet

(Jene, wie nahe sie ist, vermag nicht ihnen zu helfen,

Denn ihr selbst erbeben von schrecklicher Angst die Gebeine;

Eilenden Laufs entflieht sie durch dichtes Gebüsch und durch Waldung,

Rastlos, triefend von Schweiß vor der Wut des mächtigen Raubtiers):

Also konnt itzt keiner des troischen Volks vom Verderben

Jene befrein; auch selber vor Argos' Söhnen entflohn sie.

Jetzo den kriegesfrohen Hippolochos und den Pisandros,

Beid Antimachos' Söhne, des waltenden, welcher am meisten

Drang, vom Gold Alexandros', den glänzenden Gaben, betöret,

Helena nicht zu geben dem bräunlichen Held Menelaos:

Dessen Söhne nun traf der Völkerfürst Agamemnon,

Beid auf einem Geschirr, die hurtigen Rosse bezähmend;

Denn es entflohn den Händen die purpurschimmernden Zügel,

Und sie tummelten wild. Da stürzt' er heran wie ein Löwe,

Atreus' Sohn, und sie flehten ihm hingeschmiegt vom Wagen:

Fah uns, Atreus' Sohn, und nimm dir würdige Lösung.

Viel der Kleinode ruhn in Antimachos' hohem Palaste,[181]

Erz und Goldes genug und schöngeschmiedetes Eisen.

Hievon reicht der Vater dir gern unermeßliche Lösung,

Wenn er uns noch lebend vernimmt bei den Schiffen Achaias.

Also fleheten sie mit freundlichen Worten den König

Weinend an; da erscholl die unbarmherzige Stimme:

Hat Antimachos denn, der waltende Held, euch gezeuget,

Welcher im Rat einst hieß, daß Trojas Volk Menelaos,

Als er gesandt hinkam mit dem göttergleichen Odysseus,

Dort erschlüg und sie nicht heimsendete zu den Achaiern:

Auf, so büßt mir jetzo des Vaters schändlichen Frevel.

Sprach's und stürzte Pisandros vom Wagengeschirr auf die Erde,

Werfend den Speer in die Brust, daß zurück auf den Boden er hinsank.

Aber Hippolochos sprang von dem Sitz; da erschlug er ihn unten,

Weg mit dem Schwerte die Händ' und das Haupt von der Schulter ihm hauend;

Ließ dann rollen den Rumpf, wie ein Mörser gewälzt im Getümmel.

Jene verließ er, und dort, wo am dichtesten drängten die Haufen,

Stürzt' er hinein, begleitet von hellumschienten Achaiern.

Fußvolk mordete nun Fußvolk, das gezwungen zurückfloh,

Reisige nun der Reisigen Schar (und wölkender Staub stieg

Aus dem Gefild, erregt von den donnernden Hufen der Rosse),

Tötendes Erz nachschwingend. Doch Atreus' Sohn Agamemnon,

Immer verfolgt' er mordend und rief den Männer von Argos.

Wie wenn vertilgendes Feuer in nie gehauene Waldung

Fällt, dann wirbelnd der Sturm es umherträgt und bis zur Wurzel

Stämm' und Gezweig hinsinken, gerafft von des Feuerorkans Wut:

Also vor Atreus' Sohn Agamemnon sanken die Häupter

Fliehender Troer umher, und viel hochwiehernde Rosse

Rasselten, leer die Geschirre, dahin durch die Pfade des Treffens,

Ihrer untadligen Lenker beraubt, die zerstreut im Gefilde

Lagen, den Geiern anitzt weit lieblicher als den Vermählten.

Hektor entzog aus Geschossen der Donnerer und aus dem Staube,

Aus dem Gewürge der Schlacht, aus strömendem Blut und Getümmel.

Doch ihm folgt' Agamemnon, mit Macht die Achaier ermunternd.

Jene flohn zu dem Male des alten dardanischen Ilos

Mitten durch das Gefild, an dem Feigenbaume vorüber

Sehnsuchtsvoll nach der Stadt; doch stets lautschreiend verfolgt' er,[182]

Atreus' Sohn, mit Blut die unnahbaren Hände besudelt.

Als sie nunmehr dem skäischen Tor und der Buche genahet,

Standen sie endlich still und erwarteten einer den andern.

Stets durchs Gefild her stürzten die Flüchtlinge, scheu wie die Rinder,

Welche der Löwe verscheucht in dämmernder Stunde des Melkens,

Alle zugleich (doch der einen erscheint das grause Verderben;

Ihr nun bricht er den Nacken, mit mächtigen Zähnen sie fassend

Erst, dann schlürft er das Blut und die Eingeweide hinunter):

Also verfolgte sie Atreus' gewaltiger Sohn Agamemnon,

Immerdar hinstreckend den äußersten; und sie entflohen.

Vorwärts taumelten viel und rückwärts viele vom Wagen

Unter der Hand des Atreiden; so tobt' er voran mit der Lanze.

Aber da bald er nunmehr zur Stadt und türmenden Mauer

Nahete, siehe, der Vater des Menschengeschlechts und der Götter

Setzte sich nun auf den Gipfel des quellenströmenden Ida,

Nieder vom Himmel gesenkt, den flammenden Blitz in den Händen.

Schnell nun entsandt er als Botin die goldgeflügelte Iris:

Eile mir, hurtige Iris, dem Hektor das Wort zu verkünden.

Weil er sieht, daß annoch der Völkerhirt Agamemnon

Tobt in dem Vordergewühl und die Reihn der Männer vertilget,

Weich er selber zurück; doch dem anderen Volke gebiet er,

Gegen den Feind zu kämpfen im Ungestüme der Feldschlacht.

Aber sobald ein Speer ihn verwundete oder ein Pfeilschuß,

Daß er den Wagen besteigt, dann rüst ich jenen mit Stärke,

Niederzuhaun, bis er naht den schöngebordeten Schiffen,

Bis die Sonne sich senkt und heiliges Dunkel heraufzieht.

Jener sprach's; ihm gehorchte die windschnell eilende Iris,

Schwebte von Idas Höhn zur heiligen Ilios nieder,

Fand des waltenden Priamos Sohn, den göttlichen Hektor,

Stehn auf rossebespanntem und wohlgefügetem Wagen;

Nahe dann trat und begann die leichthinschwebende Iris:

Hektor, Priamos' Sohn, dem Zeus an Rate vergleichbar,

Zeus entsendete mich, dir dieses Wort zu verkünden.

Weil du siehst, daß annoch der Völkerhirt Agamemnon

Tobt in dem Vordergewühl und die Reihn der Männer vertilget,

Weiche du selber zurück, doch gebeut dem anderen Volke,

Gegen den Feind zu kämpfen im Ungestüme der Feldschlacht.[183]

Aber sobald ein Speer ihn verwundete oder ein Pfeilschuß,

Daß er den Wagen besteigt, dann rüstet er dich mit Stärke,

Niederzuhaun, bis du nahst den schöngebordeten Schiffen,

Bis die Sonne sich senkt und heiliges Dunkel heraufzieht.

Also sprach und entflog die leichthinschwebende Iris.

Hektor vom Wagen herab mit den Rüstungen sprang auf die Erde.

Schwenkend die spitzigen Lanzen, durchwandelt' er alle Geschwader,

Rings ermahnend zum Kampf, und erweckte die tobende Feldschlacht.

Jene nun wandten die Stirn und begegneten kühn den Achaiern.

Argos' Söhn' auch drüben verstärkten die Macht der Geschwader,

Neu begann das Gefecht; eindrangen sie, doch Agamemnon

Stürmte voraus, denn er wollte der Vorderste kämpfen vor allen.

Sagt mir anitzt, ihr Musen, olympische Höhen bewohnend:

Welcher kam zuerst Agamemnons Händen entgegen

Unter den Troern selbst und den rühmlichen Bundesgenossen?

Erst Antenors Sohn Iphidamas, groß und gewaltig,

Aufgenährt in Thrake, der scholligen Mutter der Schafe.

Kisseus der Ahn erzog ihn als Kind in seinem Palaste,

Welcher Theano gezeugt, Iphidamas' rosige Mutter.

Aber nachdem er das Ziel der rühmlichen Jugend erreichet,

Jetzo behielt ihn der Ahn und gab ihm die blühende Tochter.

Neuvermählt dann folgt' er dem großen Ruf der Achaier

Aus dem Gemach, mit zwölf schönprangenden Schiffen des Meeres;

Ließ darauf in Perkope zurück die schwebenden Schiffe,

Aber zu Fuß hinwandelnd erreicht' er Ilios' Mauern.

Dieser begegnete jetzt des Atreus Sohn' Agamemnon.

Als nunmehr sich genaht die Eilenden gegeneinander,

Jetzo verfehlt' Agamemnon und seitwärts flog ihm die Lanze.

Aber Iphidamas stieß auf den Gurt ihm, unter dem Panzer,

Kraftvoll, drängte dann nach, der nervichten Rechten vertrauend.

Dennoch nicht durchbohrt' er den schöngetriebenen Gürtel,

Sondern, vom Silber gehemmt, verbog wie Blei sich die Spitze.

Schleunig ergriff die Lanze der herrschende Held Agamemnon,

Zog sie heran mit Gewalt, wie ein Berglöw, und aus der Hand ihm

Riß er sie, schwang in den Nacken das Schwert und löst' ihm die Glieder.

Also sank er daselbst und schlief den ehernen Schlummer,

Mitleidswert, von der Gattin getrennt, für die Seinigen kämpfend,[184]

Ihr, die jugendlich nicht ihm belohnt die großen Geschenke;

Hundert Rinder schenkt' er zuerst und gelobte dem Schwäher

Tausend Ziegen und Schaf' aus seinen unzähligen Herden.

Ihn entwaffnete jetzt des Atreus Sohn Agamemnon,

Trug dann einher durch der Danaer Reihn die prangende Rüstung.

Aber da jetzt ihn Koon ersah, der gepriesenste Kämpfer,

Er, Antenors älterer Sohn, da umhüllt' ihm die Augen

Überschwenglicher Gram um den hingesunkenen Bruder.

Seitwärts genaht mit dem Speer und unbemerkt Agamemnon,

Stach er ihm in die Mitte des Arms, dicht unter der Beugung,

Daß ihn grade durchdrang die schimmernde Spitze des Erzes.

Schauer ergriff nun plötzlich den herrschenden Held Agamemnon;

Dennoch rastet' er nicht vom Kampf und Schlachtengetümmel,

Sondern er stürzt' auf Koon mit sturmgenähreter Lanze.

Jener zog den Iphidamas nun, den leiblichen Bruder,

Eifrig am Fuße gefaßt, und rief den Tapfersten allen.

Doch wie er zog im Gedränge, verwundet ihn unter dem Schilde

Jener mit erzgerüstetem Schaft und löst' ihm die Glieder;

Hieb dann über dem Bruder das Haupt von der Schulter, ihm nahend.

So vom Atreiden besiegt, dem Könige, fanden Antenors

Beide Söhn' ihr Verhängnis und sanken in Aides' Wohnung.

Aber jener durchflog noch andere Scharen der Männer,

Mordend mit Lanz und Schwert und gewaltigen Steinen des Feldes,

Weil ihm das Blut noch warm aus offener Wund hervordrang.

Aber sobald ihm stockte das Blut in erharschender Wunde,

Heftiger Schmerz nun faßte den Heldenmut Agamemnons.

Wie der Gebärerin Seele der Pfeil des Schmerzes durchdringet,

Herb und scharf, den gesandt hartringende Eileithyen,

Sie, der Here Töchter, von bitteren Wehen begleitet:

Also faßte der Schmerz den Heldenmut Agamemnons.

Und er sprang in den Sessel, dem Wagenlenker gebietend,

Schnell zu den Schiffen zu kehren; denn unmutsvoll war das Herz ihm.

Laut nun scholl sein durchdringender Ruf in das Heer der Achaier:

Freunde, des Volks von Argos erhabene Fürsten und Pfleger,

Ihr nun hemmt zurück von den meerdurchwandelnden Schiffen

Diesen entsetzlichen Streit, da mir Zeus' waltende Vorsicht

Nicht gewährt, die Troer den ganzen Tag zu bekämpfen![185]

Sprach's. Da geißelte jener die schöngemähneten Rosse

Hin zu den räumigen Schiffen, und nicht unwillig entflohn sie.

Beide mit schäumender Brust und besprengt von unten mit Staube

Trugen sie fern aus der Schlacht den qualenduldenden König.

Aber wie Hektor ersah, daß Atreus' Sohn sich entfernte,

Rief er den Troern zugleich und Lykiern, laut ermahnend:

Troer und Lykier ihr und Dardaner, Kämpfer der Nähe,

Seid nun Männer, o Freund', und gedenkt des stürmenden Mutes!

Fern ist der tapferste Mann, und mir gibt herrlichen Siegsruhm

Zeus der Kronid! Auf, grade gelenkt die stampfenden Rosse

Gegen der Danaer Helden, daß höheren Ruhm ihr gewinnet!

Jener sprach's und erregte zu Mut und Stärke die Männer.

Wie wenn oft ein Jäger die Schar weißzahniger Hunde

Reizt auf den grimmigen Eber des Waldtals oder den Löwen,

So auf die Danaer reizte die edelmütigen Troer

Hektor, Priamos' Sohn, dem mordenden Ares vergleichbar.

Selbst voll trotzenden Muts, durchwandelt' er vorn das Getümmel,

Stürzte sich dann in die Schlacht wie ein hochherbrausender Sturmwind.

Der in gewaltigem Sturz die dunkelen Wogen empöret.

Welchen streckte zuerst und welchen zuletzt in den Staub hin

Hektor, Priamos' Sohn, da ihm Zeus Ehre verliehen?

Erst Assäos den Held, Autonoos dann und Opites,

Dolops, Klytios' Sohn, und Opheltios, auch Agelaos,

Oros, Äsymnos sodann und Hipponoos, freudig zur Feldschlacht.

Diese Gebieter entrafft' er den Danaern, würgte dann weiter

Unter dem Volk, wie der West auseinander wirrt die Gewölke

Vom blaßschauernden Süd, mit dichtem Sturm sie verdrängend

(Häufig wälzt hochbrandend die Woge sich, aber emporspritzt

Weißer Schaum, vor dem Stoße der vielfachzuckenden Windsbraut):

So rings stürzten vor Hektor bezwungene Häupter des Volkes.

Jetzt wär entschieden der Kampf und unheilbare Taten vollendet

Und in die Schiffe gedrängt das fliehende Heer der Achaier,

Hätte nicht den Tydeiden ermahnt der Dulder Odysseus:

Tydeus' Sohn, wie vergessen wir doch des stürmen den Mutes?

Auf, tritt näher, mein Freund, steh neben mir! Schande ja wär es,

Wenn er die Schiff' einnähme, der helmumflatterte Hektor!

Ihm antwortete drauf der starke Held Diomedes:[186]

Gerne beharr ich allhier und dulde noch; aber nur wenig

Fruchtet unsere Kraft; denn der Herrscher im Donnergewölk Zeus

Will die Troer mit Sieg verherrlichen vor den Achaiern!

Sprach's und warf Thymbräos vom Wagen herab auf die Erde,

Links durchschmetternd die Brust mit dem Wurfspieß; aber Odysseus

Traf den edlen Molion, des Königes Wagengenossen.

Jene ließen sie dort ausruhn von der kriegrischen Arbeit,

Drangen hinein ins Getümmel und wüteten. Wie wenn die Eber

Unter die Hunde der Jagd hochtrotzenden Mutes sich stürzen:

Also durchtobten den Feind die Gewendeten; und die Achaier

Freuten sich aufzuatmen, gescheucht von dem göttlichen Hektor.

Jetzt war erhascht ein Geschirr; zween tapferste Männer des Volkes

Trug es, von Merops erzeugt, dem Perkosier, welcher vor allen

Fernes Geschick wahrnahm und nie den Söhnen verstattet,

Einzugehn in den Krieg, den verderblichen; aber sie hörten

Nicht sein Wort, denn sie führte des dunkelen Todes Verhängnis.

Diesen kam der Tydeide, der Schwinger des Speers Diomedes,

Raubete Geist und Leben und trug die prangende Rüstung.

Doch des Hippodamas Wehr und Hypeirochos' nahm sich Odysseus.

Nun ließ schweben die Schlacht im Gleichgewichte Kronion,

Schauend von Idas Höhn; und sie würgten sich untereinander.

Siehe, den Päoniden Agastrophos traf Diomedes,

Stoßend mit eherner Lanz, am Hüftbein, denn sein Gespann war

Nicht ihm nah zu entfliehn; so groß war des Geistes Betörung!

Abwärts hielt der Genoß den Wagen ihm; aber er selber

Tobte zu Fuß durch das Vordergewühl, bis sein Leben dahin war.

Doch wie sie Hektor ersah durch die Ordnungen, stürmt' er auf jene

Her mit Geschrei; ihm folgten zugleich Heerscharen der Troer.

Ihn erblickt' aufschauend der Rufer im Streit Diomedes,

Wandte sich schnell und begann zu Odysseus, der ihm genaht war:

Schau, dort wälzt das Verderben sich her, der gewaltige Hektor!

Aber wohlan, wir bleiben und widerstehn unerschüttert!

Sprach's, und im Schwung entsandt er die weithinschattende Lanze,

Traf und verfehlete nicht, auf das Haupt dem Kommenden zielend,

Oben die Kuppel des Helms, doch prallte das Erz von dem Erze,

Eh es die schöne Haut ihm berührt'; denn es wehrte der Helm ab,

Dreifach, länglich gespitzt, ihm geschenkt von Phöbos Apollon.[187]

Hektor flog unermeßlich zurück, in die Scharen sich mischend,

Und er entsank hinkniend und stemmte die nervichte Rechte

Gegen die Erd, und die Augen umzog die finstere Nacht ihm.

Aber indes der Tydeide den Schwung der Lanze verfolgte,

Fern durch das Vordergewühl, wo sie nieder ihm schoß in den Boden,

Kehrete Hektors Geist, und schnell in den Sessel sich schwingend,

Jagt' er hinweg ins Gedräng und vermied das schwarze Verhängnis.

Doch mit dem Speer nachstürmend, begann der Held Diomedes:

Wieder entrannst du dem Tode, du Hund! Schon nahte Verderben

Über dein Haupt, allein dich errettete Phöbos Apollon,

Den du gewiß anflehst, ins Geklirr der Geschosse dich wagend!

Doch bald mein ich mit dir zu endigen, künftig begegnend,

Würdiget anders auch mich ein unsterblicher Gott zu begleiten!

Jetzo eil ich umher zu den übrigen, wen ich erhasche!

Sprach's, und Päons Sohne, dem Tapferen, raubt' er die Rüstung.

Aber der Held Alexandros, der lockigen Helena Gatte,

Richtet' auf Tydeus' Sohn das Geschoß, den Hirten der Völker,

Hinter die Säule geschmiegt auf dem männerbereiteten Grabmal

Ilos' des Dardaniden, des vormals waltenden Greises.

Jener entriß dem starken Agastrophos eilend des Panzers

Künstlichen Schmuck von der Brust und den mächtigen Schild von den Schultern,

Samt dem gewichtigen Helm. Da zog er den Bügel des Hornes,

Schoß und traf, nicht umsonst den Pfeil von der Nerve versendend,

Unten den rechten Fuß; und das Erz, durch die Sohle gedrungen,

Bohrt' in den Boden hinein. Doch er mit behaglicher Lache

Sprang aus dem Hinterhalt und rief lautjauchzend die Worte:

Ha, das traf! Nicht umsonst mir entflog das Geschoß! O wie gerne

Hätt ich die Weiche des Bauchs dir durchbohrt und das Leben entrissen!

Dann vermöchten die Troer nun aufzuatmen von Drangsal,

Welche du wild hinscheuchst wie ein Leu die meckernden Ziegen!

Drauf begann unerschrocken der starke Held Diomedes:

Lästerer, Bogenschütz, pfeilprangender, Mädchenbeäugler!

Wenn du mit offener Gewalt in Rüstungen wider mich kämest,

Wenig frommte dir wohl dein Geschoß und die häufigen Pfeile.

Jetzt da du leicht den Fuß mir ritzetest, prahlest du eitel.

Nichts gilt mir's, als träf ein Mädchen mich oder ein Knäblein!

Kraftlos spielt das Geschoß des nichtgeachteten Weichlings![188]

Traun, wohl anders von mir, und ob nur ein wenig es fasse,

Dringt ein scharfes Geschoß, und sofort zu den Toten gesellt es!

Seiner Vermählten daheim sind umher zerrissen die Wangen

Und die Kinder verwaist; mit Blut die Erde befleckend,

Modert er, und des Gevögels umschwärmt ihn mehr denn der Weiber!

Jener sprach's; doch Odysseus, der Lanzenschwinger, sich nahend,

Trat vor ihn; nun saß er geschirmt und zog sich den schnellen

Pfeil aus dem Fuß, und der Schmerz durchdrang ihm heftig die Glieder.

Und er sprang in den Sessel, dem Wagenlenker gebietend,

Schnell zu den Schiffen zu kehren; denn unmutsvoll war das Herz ihm.

Einsam war nun Odysseus, der Lanzenschwinger, und niemand

Harrt' um ihn der Achaier; denn Furcht verscheuchte sie alle.

Tief erseufzt' er und sprach zu seiner erhabenen Seele:

Wehe, was soll mir geschehn! O Schande doch, wenn ich entflöhe,

Fort durch Menge geschreckt! Doch entsetzlicher, wenn sie mich fingen

Einsam hier; denn die andern der Danaer scheuchte Kronion!

Aber warum bewegte das Herz mir solche Gedanken?

Weiß ich ja doch, daß Feige von dannen gehn aus dem Kampfe!

Doch wer edel erscheint in der Feldschlacht, diesem gebührt es,

Tapfer den Feind zu bestehn, er treffe nun oder man treff ihn!

Als er solches erwog in des Herzens Geist und Empfindung,

Zogen bereits die Troer heran in geschildeten Schlachtreihn;

Und sie umschlossen ihn rings, ihr Unheil selber umzingelnd.

Wie auf den Eber umher die Hund' und die blühenden Jäger

Stürzen (er wandelt hervor aus tiefverwachsenem Dickicht,

Wetzend den weißen Zahn im zurückgebogenen Rüssel;

Rings nun stürmen sie an, und wild mit klappenden Hauern

Wütet er; dennoch bestehn sie zugleich, wie schrecklich er drohet):

Also dort um Odysseus den Göttlichen stürzten sich ringsher

Troer. Doch jener zuerst dem untadligen Deiopites

Stach er die Schulter von oben, mit spitziger Lanz ihn ereilend:

Auch den Thoon darauf und Ennomos streckt' er in Blut hin;

Auch dem Chersidamas rannt' er, der schnell vom Wagen herabsprang,

Unter dem bucklichten Schild den scharfen Speer in den Nabel

Tief; und er sank in den Staub, mit der Hand den Boden ergreifend.

Jene verließ er, und Hippasos' Sohn mit der Lanze durchstach er,

Charops, den leiblichen Bruder des wohlentsprossenen Sokos.[189]

Ihm ein Helfer zu sein, wie ein Gott, kam Sokos gewandelt;

Nahe trat er hinan und sprach zu jenem die Worte:

O preisvoller Odysseus, an List unerschöpft und an Arbeit,

Heut ist entweder dein Ruhm, daß Hippasos' Söhne du beide,

Solche Männer, dahingestreckt und die Waffen erbeutet,

Oder, von meiner Lanze durchbohrt, verlierst du das Leben!

Jener sprach's und stieß auf des Schildes geründete Wölbung.

Siehe, den strahlenden Schild durchschmetterte mächtig die Lanze;

Auch in das Kunstgeschmeide des Harnisches drang sie geheftet,

Ganz dann entriß sie die Haut von den Rippen ihm; aber Athene

Wehrte dem Erz zu dringen ins Eingeweide des Mannes.

Doch wie Odysseus erkannt, nicht tödlich sei das Geschoß ihm,

Wich er ein wenig zurück und sprach zu Sokos die Worte:

Unglückseliger, traun, dich ergreift nun grauses Verderben!

Zwar mich hast du gehemmt, der Troer Volk zu bekämpfen,

Doch dir meld ich allhier den Tod und das schwarze Verhängnis,

Diesen Tag dir bestimmt; von meiner Lanze gebändigt,

Gibst du mir Ruhm und die Seele dem Sporner der Gäul' Aidoneus.

Sprach's, und jener zur Flucht hinweggewendet enteilte.

Doch dem Gewendeten schoß er den ehernen Speer in den Rücken,

Zwischen der Schulterbucht, daß vorn aus dem Busen er vordrang;

Dumpf hinkracht' er im Fall, und es rief frohlockend Odysseus:

Sokos, Hippasos' Sohn, des feurigen Rossebezähmers,

Siehe, der endende Tod erhaschte dich, und du entrannst nicht!

Wehe dir, nicht dein Vater und deine liebende Mutter

Drücken die Augen dir zu, dem Sterbenden, sondern des Raubes

Vögel zerhacken dich bald, mit den Fittichen froh dich umflatternd!

Sterb auch ich, dann schmücken mein Grab die edlen Achaier!

Jener sprach's, und den mächtigen Speer des erhabenen Sokos

Zog er hervor aus der Wund und dem hochgenabelten Schilde.

Blut nun schoß dem entzogenen nach und schwächte das Herz ihm.

Doch wie die mutigen Troer das Blut des Königes schauten,

Riefen sie laut einander und wandelten gegen ihn alle.

Aber Odysseus wich dem Gedräng und schrie zu den Freunden.

Dreimal schrie er empor, wie die Brust aushallet des Mannes,

Dreimal vernahm das Geschrei der streitbare Held Menelaos.

Schnell begann er und sprach zu Ajas, der ihm genaht war:[190]

Ajas, göttlicher Sohn des Telamon, Völkergebieter,

Eben umscholl Odysseus' des Duldenden fernes Geschrei mich,

Jenem gleich, als drängten den einsam Verlassenen etwa

Troer, den Weg abschneidend im Ungestüme der Feldschlacht.

Auf, wir gehn durchs Getümmel; denn ihm zu helfen geziemt uns.

Daß nur nichts ihm begegne, dem Einsamen unter den Troern,

Stark wie er sei, und schmerzlich der Danaer Volk ihn vermisse!

Sprach's und ging; ihm folgte der götterähnliche Streiter.

Und sie erreichten Odysseus den herrlichen; um ihn gedrängt war

Troergewühl. So wie oft rotgelbe Schakal' im Gebirge

Um den gehörneten Hirsch, den verwundeten, welchen ein Jäger

Traf mit der Senne Geschoß (ihm zwar entrann er im Laufe

Fliehend, dieweil warm strömte das Blut und die Knie sich regten;

Aber sobald nun der Schmerz des geflügelten Pfeils ihn gebändigt,

Dann zerreißen Schakal' im Gebirg ihn, gierig des Fleisches,

Tief im schattigen Hain; doch ein Leu, vom Dämon gesendet,

Naht grimmvoll; es entfliehn die Schakal', und jener verschlingt nun):

Also dort um Odysseus, den feurigen Held voll Erfindung,

Drangen viel der Troer und tapfere. Aber der Held schwang

Seine Lanz und wehrte dem grausamen Todestage.

Ajas, jetzo genaht, den türmenden Schild vortragend,

Trat zu ihm, und die Troer entzitterten hiehin und dorthin.

Jenen führt' an der Hand der streitbare Held Menelaos

Aus dem Gewühl, bis die Rosse der Wagengenoß ihm genähert.

Ajas sprang in der Troer Gedräng und entraffte Doryklos,

Priamos' Nebensohn; und darauf auch den Pandokos stürzt' er,

Stürzte Lysandros dahin und Pyrasos und den Pylartes.

Wie wenn hochgeschwollen ein Strom in das Tal sich ergießet

Strudelnd im Herbst vom Gebirg, indem Zeus' Regen ihn fortdrängt

(Viel der dorrenden Eichen alsdann, viel Kiefergehölz auch

Wälzt er hinab und viel des trübenden Schlamms in die Salzflut):

Also durchtobt' hinstürzend das Feld der strahlende Ajas,

Bahn durch Männer sich hauend und Reisige. Aber noch hört' es

Hektor nicht; denn er kämpft' an der linken Seite des Treffens,

Längs dem Gestade des Stroms Skamandros, dort wo am meisten

Taumelten Häupter der Männer und graunvoll brüllte der Schlachtruf

Um den erhabnen Idomeneus her und den mutigen Nestor.[191]

Hektor schaltete dort mit den Danaern; schreckliche Taten

Übt' er mit Speer und Wagen, der Jünglinge Reihen verwüstend.

Dennoch wären ihm nicht Achaias Helden gewichen,

Hätte nicht Alexandros, der lockigen Helena Gatte,

Mitten im Streite gehemmt den Völkerhirten Machaon,

Mit dreischneidigem Pfeil ihm rechts die Schulter verwundend.

Seinethalb erschraken die mutbeseelten Achaier,

Sorgend, es möchte der Feind in gewendeter Schlacht ihn ermorden.

Und Idomeneus sprach zum göttlichen Nestor in Eile:

Nestor, Neleus' Sohn, du erhabener Ruhm der Achaier,

Hurtig, betritt dein Wagengeschirr; auch betret es Machaon

Neben dir; dann zu den Schiffen gelenkt die stampfenden Rosse!

Denn ein heilender Mann ist wert wie viele zu achten,

Der ausschneidet den Pfeil und mit lindernder Salbe verbindet.

Sprach's, und ihm folgete gern der gerenische reisige Nestor.

Schnell betrat er sein Wagengeschirr, auch betrat es Machaon,

Er, Asklepios' Sohn, des unvergleichbaren Arztes.

Treibend schwang er die Geißel, und rasch hinflogen die Rosse

Zu den geräumigen Schiffen; denn dorthin wünschten sie herzlich.

Aber Kebriones sah der troischen Männer Getümmel,

Hektors Wagengenoß, und redete, also beginnend:

Hektor, wir beide sind hier mit Danaerscharen beschäftigt,

Fern am Ende der brüllenden Schlacht; doch die übrigen Troer

Tummeln dort durcheinander gewirrt, die Gespann' und sie selber.

Ajas durchtobt das Gewühl, der Telemonid; ich erkenn ihn,

Denn breit ragt sein Schild an der Schulter ihm. Wenn wir denn itzo

Dorthin Ross' und Wagen beflügelten, wo nun am meisten

Streiter zu Fuß und zu Wagen, im schrecklichen Kampf sich begegnend,

Rings einander ermorden, und graunvoll brüllet der Schlachtruf!

Sprach's und geißelte rasch das Gespann schönmähnichter Rosse

Mit hellknallendem Schwung; doch sie, der Geißel gehorchend,

Trugen das schnelle Geschirr durch Troer dahin und Achaier,

Stampfend auf bäuchige Schild' und Leichname; unten besudelt

Troff die Achse von Blut und die zierlichen Ränder des Sessels,

Welchen jetzt von der Hufe Gestampf anspritzten die Tropfen,

Jetzt von der Räder Beschlag. So strebte der Held in der Männer

Dichtes Gewühl, zu zerstreuen, wo er stürmete! Grauses Getümmel[192]

Bracht er dem Volk der Achaier und rastete wenig vom Speere.

Aber stets durchflog er der anderen Männer Geschwader,

Mordend mit Lanz und Schwert und gewaltigen Steinen des Feldes;

Ajas nur vermied er im Kampf, den Telamoniden;

Denn ihm eiferte Zeus, wann den stärkeren Mann er bekämpfte.

Zeus der Allmächtige sandte nun Furcht in die Seele des Ajas.

Starrend stand und warf er den lastenden Schild auf die Schulter,

Flüchtete dann, umschauend im Männergewühl, wie ein Raubtier,

Rückwärts häufig gewandt, mit langsam wechselnden Knien.

Wie wenn den gelblichen Leun vom verschlossenen Rindergehege

Oftmals Hund' abscheuchen und landbewohnende Männer,

Welche nicht ihm gestatten, das Fett der Rinder zu rauben,

Ganz durchwachend die Nacht (er dort, nach Fleische begierig,

Rennt grad an, doch er wütet umsonst; denn häufige Speere

Fliegen ihm weit entgegen, von mutigen Händen geschleudert,

Auch hellodernde Bränd', und er zuckt im stürmenden Angriff,

Scheidet dann frühmorgens hinweg mit bekümmertem Herzen):

Also ging nun Ajas mit traurendem Geist von den Troern,

Sehr ungern, denn er sorgte voll Angst um der Danaer Schiffe.

Wie wenn am Feld ein Esel geführt obsieget den Knaben

Trägen Gangs, auf welchem schon viel der Stecken zertrümmert

(Aber er frißt eindringend die tiefe Saat, und die Knaben

Schlagen umher mit Stecken; doch schwach ist die Stärke der Kinder,

Und sie vertreiben ihn kaum, nachdem er mit Fraß sich gesättigt):

Also schwärmt' um den Held, den Telamonier Ajas,

Mutiger Troer Gewühl und fernberufener Helfer,

Die auf den Schild die Lanzen ihm schmetterten, immer verfolgend.

Aber bald gedachte der Held des stürmenden Mutes,

Wieder das Antlitz gewandt, und zwang die dichten Geschwader

Reisiger Troer zurück; bald kehrt' er von neuem zur Flucht um.

Allen indes verwehrt' er den Weg zu den rüstigen Schiffen,

Denn er selbst, in der Troer und Danaer Mitte sich stellend,

Wütete; aber die Speere, von mutigen Händen geschleudert,

Hafteten teils anprallend im siebenhäutigen Stierschild,

Viel auch im Zwischenraume, den schönen Leib nicht erreichend,

Standen empor aus der Erde, voll Gier, im Fleische zu schwelgen.

Als ihn Eurypylos jetzt, der glänzende Sohn des Euämon,[193]

Schauete, dicht umdrängt vom Ungestüm der Geschosse,

Stand er zu jenem genaht und schwang den blinkenden Wurfspieß

Und traf Phausias' Sohn, den Hirten des Volks Apisaon,

Unter der Brust in die Leber, und stracks ihm löst' er die Glieder.

Schnell dann sprang er hinzu und raubte die Wehr von den Schultern.

Aber sobald ihn ersah der göttliche Held Alexandros,

Wie er die Waffen entzog dem Getöteten, spannt' er den Bogen

Gegen Eurypylos schnell und schoß in die Lende den Pfeil ihm

Rechts hinein; und das Rohr brach ab und beschwert' ihm die Lende.

Schnell in der Freunde Gedräng' entzog er sich, meidend das Schicksal.

Und es erscholl sein durchdringender Ruf in das Heer der Achaier:

Freunde, des Volks von Argos erhabene Fürsten und Pfleger,

Steht, die Stirne gewandt, und schirmt vor dem grausamen Tage

Ajas, der hart von Geschossen bedrängt wird! Schwerlich entrinnt er

Jetzt dem grimmen Getöse der Feldschlacht! Aber o stellt euch

Gegen den Feind um Ajas, den mächtigen Telamoniden!

So der verwundete Held Eurypylos; und die Genossen

Stellten sich nah um ihn, die Schilde gelehnt an die Schultern,

Alle die Lanzen erhöht. Daher nun wandelte Ajas,

Stand dann zum Feinde gekehrt, da der Seinigen Schar er erreichte.

Also kämpften sie dort, gleich lodernden Feuerflammen.

Nestor indes enttrugen der Schlacht die neleischen Stuten,

Schäumend in Schweiß, und brachten den Völkerhirten Machaon.

Jenen sah und erkannte der mutige Renner Achilleus;

Denn er stand auf dem Hinterverdeck des gewaltigen Meerschiffs,

Schauend die Kriegsarbeit und die tränenwerte Verfolgung.

Schnell zu seinem Genossen Patrokleus redet' er jetzo,

Rufend vom Schiffe daher; doch jener im Zelt es vernehmend,

Kam gleich Ares hervor, dies war des Wehes Beginn ihm.

Eilend sprach zu jenem Menötios' tapferer Sprößling:

Warum rufest du mir, o Achilleus? Wessen bedarfst du?

Ihm antwortete drauf der mutige Renner Achilleus:

Edler Menötiad, o meiner Seele Geliebter,

Bald wohl nahn, vermut ich, zu meinen Knien die Achaier,

Anzuflehn; denn die Not umdränget sie ganz unerträglich.

Aber o geh, Patroklos, du Göttlicher, forsche von Nestor,

Welchen verwundeten Mann er dort herführt aus dem Treffen.[194]

Zwar von hinten erschien er Machaon ganz an Gestalt gleich,

Ihm des Asklepios Sohn, allein nicht sah ich das Antlitz,

Denn mir stürmten die Rosse vorbei im geflügelten Laufe.

Jener sprach's; und Patroklos, dem lieben Freunde gehorchend,

Eilte dahin zu den Zelten und rüstigen Schiffen Achaias.

Jene, sobald sie das Zelt des Neleiaden erreichten,

Stiegen sie selbst vom Wagen zur nahrungsprossenden Erde;

Aber die Rosse löst' Eurymedon, Diener des Greises,

Von dem Geschirr. Sie aber, den Schweiß der Gewande zu kühlen,

Stellten sich gegen den Wind am luftigen Meergestade,

Gingen darauf ins Gezelt und setzten sich nieder auf Sessel.

Weinmus mengte nun ihnen die lockige Hekamede,

Die aus Tenedos brachte der Greis, wie Achilleus sie einnahm,

Tochter des hochgesinnten Arsinoos, die die Achaier

Ihm erwählt, dieweil er im Rat vorragte vor allen.

Diese rückte zuerst die schöne geglättete Tafel

Mit stahlblauem Gestell vor die Könige; mitten darauf dann

Stand ein eherner Korb mit trunkeinladenden Zwiebeln,

Gelblicher Honig dabei und die heilige Blume des Mehles;

Auch ein stattlicher Kelch, den der Greis mitbrachte von Pylos,

Welchen goldene Buckeln umschimmerten, aber der Henkel

Waren vier und umher zwo pickende Tauben an jedem,

Schön aus Golde geformt; zwei waren auch unten der Boden.

Mühsam hob ein andrer den schweren Kelch von der Tafel,

War er voll; doch Nestor der Greis erhob ihn nur spielend.

Hierin mengte das Weib, an Gestalt den Göttinnen ähnlich,

Ihnen des pramnischen Weins und rieb mit eherner Raspel

Ziegenkäse darauf, mit weißem Mehl ihn bestreuend,

Nötigte dann zu trinken vom wohlbereiteten Weinmus.

Beide, nachdem sie im Tranke den brennenden Durst sich gelöschet,

Freueten sich des Gesprächs und redeten viel miteinander.

Jetzo stand an der Pforte Patroklos, ähnlich den Göttern.

Als ihn erblickte der Greis, da entsprang er dem schimmernden Sessel,

Führt' ihn herein an der Hand und nötigte freundlich zum Sitze.

Doch Patroklos versagt' es dem Greis und erwiderte also:

Nötige nicht zum Sitze, du göttlicher Greis, denn ich darf nicht.

Ehrfurcht fordert und Scheu, der mich gesendet zu forschen,[195]

Welchen Verwundeten dort du herführst. Aber ich selber

Kenn ihn schon, denn ich sehe den Völkerhirten Machaon.

Jetzo, das Wort zu verkünden, enteil ich zurück zum Achilleus,

Wohl ja kennest auch du, ehrwürdiger Alter, des Mannes

Heftigen Sinn, der leicht Unschuldige selber beschuldigt.

Ihm antwortete drauf der gerenische reisige Nestor:

Was doch kümmern so sehr Achilleus' Herz die Achaier,

Welche bereits das Geschoß verwundete? Aber er weiß nicht,

Welch ein Weh sich erhub durch das Kriegsheer! Alle die Tapfern

Liegen umher bei den Schiffen, mit Wurf und Stoße verwundet!

Wund von Geschoß ist Tydeus' Sohn, der Held Diomedes;

Wund von der Lanz' Odysseus, der Herrliche, und Agamemnon;

Auch Eurypylos traf ein fliegender Pfeil in die Lende.

Diesen anderen bracht ich selber nur jüngst aus der Feldschlacht,

Als der Senne Geschoß ihn verwundete. Aber Achilleus

Hegt, zwar tapfer, mit uns nicht Mitleid oder Erbarmung!

Harrt er vielleicht, bis erst die rüstigen Schiff' am Gestade,

Trotz der Achaiermacht, in feindlicher Flamme verlodern

Und wir selbst hinbluten der Reihe nach? Nicht ja besteht mir

Kraft, wie vordem sie gestrebt in den leichtgebogenen Gliedern!

Wär ich so jugendlich noch und ungeschwächten Vermögens,

Wie als einst der Eleier und Pylier Streit sich erhoben

Über den Rinderraub, da ich den Itymoneus hinwarf,

Ihn den tapferen Sohn des Hypeirochos, wohnend in Elis,

Und mir Entschädigung nahm. Er stritt, die Rinder uns wehrend;

Aber ihn traf im Vordergewühl mein stürmender Wurfspieß,

Daß er sank und in Angst sein ländliches Volk sich zerstreute.

Viel und reichliche Beute gewannen wir rings aus den Feldern:

Fünfzig Herden der Rinder umher, der weidenden Schafe

Ebensoviel, auch der Schweine so viel und der streifenden Ziegen;

Auch der bräunlichen Rosse gewannen wir hundertundfünfzig,

Stuten all, und viele von saugenden Füllen begleitet.

Weg nun trieben wir jene hinein zur neleischen Pylos,

Nachts in die Stadt ankommend, und herzlich freute sich Neleus,

Daß mir Jünglinge schon so viel Kriegsbeute beschert war.

Herolde riefen nunmehr, sobald der Morgen emporstieg,

Jeden herbei, wem Schuld in der heiligen Elis gebührte.[196]

Aber des Pyliervolks versammelte Obergebieter

Teileten aus; denn vielen gebührete Schuld von Epeiern,

Seit wir wenigen dort in Drangsal Pylos bewohnet.

Denn uns drängt' hinkommend die hohe Kraft Herakles'

Einige Jahre zuvor und erschlug die tapfersten Männer.

Siehe, wir waren zwölf untadlige Söhne des Neleus;

Davon blieb ich allein, die anderen sanken getötet.

Drum verachteten uns die erzumschirmten Epeier,

Und voll Übermutes verübten sie mancherlei Frevel.

Draus nun wählte der Greis sich eine Herde der Rinder,

Eine von Schafen gedrängt, drei Hunderte samt den Hirten;

Weil auch ihm viel Schuld in der heiligen Elis gebührte,

Vier siegprangende Rosse zusamt dem Wagengeschirre,

Zum Wettrennen gesandt; denn ein Dreifuß war zur Belohnung

Aufgestellt; da behielt der Völkerfürst Augeias

Jene zurück und entsandte den trauernden Wagenlenker.

So zum Zorne gereizt durch Wort' und Taten des Frevels,

Wählte sich vieles der Greis; das übrige gab er dem Volke,

Gleichgeteilt, daß keiner ihm leer der Beute hinweg ging.

Wir vollendeten nun ein jegliches, und um die Stadt her

Weihten wir Opfer des Danks. Doch schnell am dritten der Tage

Kamen die Feind' unzählbar, sie selbst und stampfende Rosse,

Alle geschart; auch kamen die zween Molionen gerüstet,

Kinder annoch und wenig geübt zum herzhaften Angriff.

Eine Stadt Thryoessa erhebt sich auf felsichtem Hügel

Fern an Alpheios' Strom, die heilige Elis begrenzend;

Diese bekämpfte der Feind, sie auszutilgen verlangend.

Doch wie sie ganz das Gefild umschwärmeten, kam uns Athene

Schnell als Botin daher vom Olympos, uns zu bewaffnen,

Nachts, und nicht unwillig erhuben sich Pylos' Bewohner,

Sondern mit freudigem Mut zu der Feldschlacht. Mir nur verwehrte

Neleus, mitzugehn in den Streit, und barg mir die Rosse;

Denn noch wähnt' er mich nicht zu Kriegsarbeiten gewitzigt.

Dennoch strahlt ich hervor in unserer Reisigen Scharen,

Ohne Gespann, auch zu Fuß; so trieb in den Kampf mich Athene.

Aber es rollt' ein Strom Minyeios nieder zur Salzflut,

Dicht an Aren'; hier harreten wir der heiligen Frühe,[197]

Pylos' reisige Schar, und daher floß Menge des Fußvolks.

Drauf mit gesamter Macht in wohlgerüstetem Heerzug

Kamen wir mittags hin zum heiligen Strom Alpheios.

Allda brachten wir Zeus dem allmächtigen prangende Opfer,

Einen Stier dem Alpheios und einen Stier dem Poseidon,

Eine Kuh von der Herde für Zeus' blauäugige Tochter,

Nahmen die Abendkost durch das Kriegsheer, Haufen bei Haufen,

Legten uns dann zur Ruh, in eigener Rüstung ein jeder,

Längs dem Ufer des Stroms. Die hochgesinnten Epeier

Standen bereits um die Stadt, sie hinwegzutilgen verlangend;

Aber sie fanden zuvor des Ares schreckliche Arbeit.

Denn als leuchtend die Sonn emporstieg über die Erde,

Rannten wir an zum Gefecht und fleheten Zeus und Athenen.

Als nun die Schlacht anhub der Pylier und Epeier,

Rafft ich den ersten der Feind' und nahm die stampfenden Rosse

Mulios', kühn und gewandt, der ein Eidam war des Augeias,

Seiner ältesten Tochter vermählt, Agamede der blonden,

Die Heilkräuter verstand, so viel rings nähret die Erde.

Ihn, wie er gegen mich kam, mit eherner Lanze durchbohrt ich,

Und er entsank in den Staub; und ich, in den Sessel mich schwingend,

Stand nun im Vordergewühl. Die hochgesinnten Epeier

Zitterten ängstlich umher, da den Mann hinfallen sie sahen,

Ihn, der führend den reisigen Zug, vorstrebt' in der Feldschlacht.

Aber ich stürmt in die Feinde, dem dunkelen Donnerorkan gleich;

Fünfzig gewann ich der Wagen, und zween Kriegsmänner um jeden

Knirschten den Staub mit den Zähnen, von meiner Lanze gebändigt.

Aktors Söhn' auch hätt ich gestreckt, die zween Molionen,

Hätte nicht ihr Vater, der Erderschüttrer Poseidon,

Schnell dem Gefecht sie entrückt, ringsher in Nebel sie hüllend.

Jetzo gewährete Zeus den Pyliern herrliche Siegsmacht;

Denn stets folgeten wir durch schildbestreuete Felder,

Niederhauend den Feind und stattliche Rüstungen sammelnd,

Bis wir zum Weizengefilde Buprasion trieben die Rosse

Und zum olenischen Fels und wo Alesions Hügel

Wird genannt, wo zurück uns wendete Pallas Athene.

Dort verließ ich den letzten Erschlagenen; und die Achaier

Lenkten das schnelle Gespann von Buprasion wieder gen Pylos,[198]

Preisend mit Dank von den Himmlischen Zeus, von den Sterblichen Nestor.

So war ich, ja ich war's! in der Feldschlacht! Aber Achilleus

Hegt der Tugend Genuß sich allein nur! Wahrlich, mit Tränen

Wird er hinfort es bejammern, nachdem das Volk uns vertilgt ist!

Ach mein Freund, wohl hat dich Menötios also ermahnet

Jenes Tags, da aus Phthia zu Atreus' Sohn er dich sandte;

Denn wir beide darinnen, ich selbst und der edle Odysseus,

Hörten all im Gemach die Ermahnungen, die er dir mitgab.

Siehe, wir kamen dahin zu Peleus' schönem Palaste,

Völker umher versammelnd im fruchtbaren Land Achaias,

Und wir fanden den Held Menötios dort im Palaste,

Dich und Achilleus zugleich. Der alte reisige Peleus

Brannte dem Donnerer Zeus die fetten Schenkel des Stieres

In dem umschlossenen Hof und hielt den goldenen Becher,

Sprengend den funkelnden Wein in die heilige Flamme des Opfers.

Ihr bereitetet beide das Stierfleisch. Jetzo erschienen

Wir an der Pforte des Hofs; bestürzt nun erhub sich Achilleus,

Führt' uns herein an der Hand und nötigte freundlich zum Sitze;

Wohl dann bewirtet' er uns nach heiliger Sitte des Gastrechts.

Aber nachdem wir der Kost uns gesättiget und des Getränkes,

Jetzo begann ich die Red, euch mitzugehen ermahnend;

Ihr auch wolltet es gern, und viel euch geboten die Väter.

Peleus, der graue Held, ermahnete seinen Achilleus,

Immer der Erste zu sein und vorzustreben vor andern.

Aber dich ermahnte Menötios, Aktors Erzeugter:

Lieber Sohn, an Geburt ist zwar erhabner Achilleus,

Älter dafür bist du, doch ihm ward größere Stärke;

Aber du hilf ihm treulich mit Rat und kluger Erinnrung

Und sei Lenker dem Freund; er folgt dir gerne zum Guten.

Also ermahnte der Greis; du vergaßest es. Aber auch jetzt noch

Sage dies Achilleus, dem Feurigen, ob er gehorche.

Denn wer weiß, ob vielleicht durch göttliche Hilf ihn beweget

Dein Zuspruch! Gut immer ist redliche Warnung des Freundes.

Aber wofern im Herzen ein Götterspruch ihn erschrecket

Und im Worte von Zeus die göttliche Mutter gemeldet,

Send er zum wenigsten dich, und der Myrmidonen Geschwader[199]

Folge zugleich, ob du etwa ein Licht der Danaer werdest.

Dir auch geb er das Waffengeschmeid im Kampfe zu tragen,

Ob, dich für ihn ansehend, vielleicht vom Kampfe die Troer

Abstehn und sich erholen die kriegerischen Männer Achaias

Ihrer Angst, wie klein sie auch sei, die Erholung des Krieges.

Leicht auch könnt ihr, noch frisch, die ermüdeten Männer im Angriff

Rückwärts drängen zur Stadt, von den Schiffen hinweg und Gezelten.

Also der Greis, und jenem das Herz im Busen bewegt' er;

Schnell durchlief er die Schiffe zum Äakiden Achilleus.

Aber nachdem zu den Schiffen des göttergleichen Odysseus

Laufend Patroklos genaht, wo der Volkskreis und der Gerichtsplatz

War, wo rings auch Altäre gebaut den unsterblichen Göttern,

Traf er Eurypylos dort, den glänzenden Sohn des Euämon,

Welcher hart verwundet daher mit dem Pfeil in der Lende

Mühsam hinkt' aus der Schlacht; herab ihm strömte der Angstschweiß

Häufig von Schulter und Haupt, und hervor aus der schmerzenden Wunde

Rieselte schwarzes Blut, doch blieb ihm die Stärke des Geistes.

Mitleidsvoll erblickt' ihn Menötios' tapferer Sprößling,

Und er begann wehklagend und sprach die geflügelten Worte:

Weh euch, weh, der Achaier erhabene Fürsten und Pfleger!

Solltet ihr so, den Freunden entfernt und dem Vatergefilde,

Nähren mit weißem Fett in Troja hurtige Hunde?

Aber verkündige mir, Eurypylos, göttlicher Kämpfer,

Ob noch bestehn die Achaier dem übergewaltigen Hektor

Oder bereits hinsinken, von seiner Lanze gebändigt?

Und der verständige Sohn des Euämon sagte dagegen:

Nichts mehr, göttlicher Held Patrokleus, schafft den Achaiern

Heil; bald werden sie all um die dunkelen Schiffe gestreckt sein!

Denn sie alle bereits, die vordem die Tapfersten waren,

Liegen umher bei den Schiffen, mit Wurf und Stoße verwundet

Unter der Hand der Troer, die stets anwachsen an Stärke!

Aber errette du mich, zum dunkelen Schiffe mich führend;

Schneid aus der Lende den Pfeil und rein mit laulichem Wasser

Wasche das schwärzliche Blut; auch lege mir lindernde Salb auf,

Heilsame, welche du selbst von Achilleus, sagt man, gelernet.

Ihm, den Cheiron gelehrt, der gerechteste aller Kentauren.

Denn die Ärzte des Heers, Podaleirios und Machaon,[200]

Einer wird im Gezelt an seiner Wunde, vermut ich,

Selber anjetzt bedürftig des wohlerfahrenen Arztes

Liegen, der andr im Gefilde besteht die wütende Schlacht noch.

Ihm antwortete drauf Menötios' tapferer Sprößling:

Wie kann solches geschehn? Was machen wir, Sohn des Euämon?

Eilend muß ich Achilleus, dem Feurigen, melden die Botschaft,

Welche mir Nestor befahl, der gerenische Hort der Achaier.

Dennoch werd ich nimmer dich hier verlassen im Schmerze!

Sprach's, und unter der Brust den Völkerhirten, umfassend,

Führt' er ins Zelt; ein Genoß dort breitete Felle der Stier' aus.

Hierauf streckt' ihn der Held und schnitt mit dem Messer den scharfen

Schmerzenden Pfeil aus der Lend, auch rein mit laulichem Wasser

Wusch er das schwärzliche Blut; dann streut' er die bittere Wurzel

Drauf, mit den Händen zermalmt, die lindernde, welche die Schmerzen

Alle bezwang; und es stockte das Blut in erharschender Wunde.

Quelle:
Homer: Ilias / Odyssee. München 1976, S. 178-201.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Ilias
Ilias
Ilias · Odyssee
Ilias
Ilias (insel taschenbuch)
Ilias (Fischer Klassik)

Buchempfehlung

Gryphius, Andreas

Papinianus

Papinianus

Am Hofe des kaiserlichen Brüder Caracalla und Geta dient der angesehene Jurist Papinian als Reichshofmeister. Im Streit um die Macht tötet ein Bruder den anderen und verlangt von Papinian die Rechtfertigung seines Mordes, doch dieser beugt weder das Recht noch sich selbst und stirbt schließlich den Märtyrertod.

110 Seiten, 6.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Romantische Geschichten II. Zehn Erzählungen

Romantische Geschichten II. Zehn Erzählungen

Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Michael Holzinger hat für den zweiten Band eine weitere Sammlung von zehn romantischen Meistererzählungen zusammengestellt.

428 Seiten, 16.80 Euro

Ansehen bei Amazon