Die Gesellschafft der Pallas und Venus, als ein Wehrter Freund/ J.C.W. die Doctor Würde verdiente

[160] Die Venus, die zu dir den ersten Grund gelegt/

Und deinem Wesen sich nicht wenig eingeprägt/

War dir von Jugend auf/ Geehrter Freund/ gewogen.

Vergönne daß mein Kiel der Venus hier gedacht/1

Sie hat dich erst belebt/ denn auch beliebt gemacht/

Von edler Liebe wird die gantze Welt gezogen.


Die Pallas, deren Gunst kein sauer Topff erweckt/

Die sich auf ein Gemüth/ das edel ist erstreckt/[160]

Die muntre Geister sucht und Feuer kan vertragen/

Gewann dich gleichfals lieb und hob den blinden Wahn/

Nach welchem Pallas nicht die Venus leiden kan/

Und Lieb und Weißheit sich zusammen müßen schlagen.


In diesen Angeln ruht die klein und große Welt.

Drum hatte dir das Glück zwey Sterne zugesellt/

Dadurch dein Lebenslauf beliebt und klug gewesen.

Mit deinen Jahren wuchs auch beyder Krafft in dir/

In deiner Freundlichkeit that sich die Venus für.

Aus allen übrigen ließ Pallas Werck sich lesen.


Die Pallas/ die bißher auf diesem Saal-Athen

Hat über dich geherrscht/ dadurch wir lernen sehn/

Und Augen so vor uns/ als in die Welt bekommen/

Hat/ weil Gelehrsamkeit/ die einsten recht besteht/

Mit Phœbo durch die Welt/ und dann zur Ruhe geht/

Nach Holl- und Engeland den Lauf mit dir genommen.


Die Liebe bothe sich zu der Gefährtin an.

Die Weißheit/ welcher sie bißhero nichts gethan/

Als was ihr mehren Glantz und Anmuth hat gegeben/

Sprach: komme: nimt man mich nicht aller Orten ein/

So ist der Wandersmann doch hold und freundlich seyn/

Der in der ferne kan/ als wie zu Hause leben.


Du hast den Wander-Stab/ der Reisende ergetzt/

An manche schöne Thür in Engeland gesetzt;

Die Höflichkeit macht auch gelehrte Zimmer offen.

Was Londen treffliches/ Oxfurt gelehrtes zeigt/

Wornach der muntre Fleiß in Leiden/ Utrecht steigt/

Vergnügt und zierte dich/ wie du es kontest hoffen.


Ob sich nun Engeland/ der Venus wehrte Bahn/

Mit seiner Schönheit dir besonders aufgethan/

Und der Gedancken Schiff die Temse noch durchfähret/

Sey/ sag ich/ oder nicht. Diß aber bleibt dein Ruhm:[161]

Du woltest niemahls nicht in Venus Heiligthum/2

Diß Pallas deinem Fleiß die Krone hier gewähret.


Heut ist dein Ehren-Tag: der andre wird bald seyn.

Die Pallas ist erfreut/ die Liebe denckt allein

Auf dem Catheder dich in kurtzen auch zu sehen.

Hoch-Edler/ wenn es kommt/ so wünsch ich tausend Glück.

In jenem Stande denck an diß Athen zurück:

Dein Wohlseyn müsse so/ als wie dein Ruhm bestehen.


Fußnoten

1 Im Schertz sagte mir dieser galante Freund einmahl selber/ die Erfindung des Gedichtes/ so ich auf sein Doctorat machen wolte/ von der Venus zu nehmen/welches/ weil es seinem guten Temperament nicht entgegen/ hierdurch geschehen ist.


2 Mich deucht/ daß von einer keuschen Liebe diese Redens-Art wird erlaubet seyn.


Quelle:
Christian Friedrich Hunold: Menantes Academische Nebenstunden allerhand neuer Gedichte, Halle/ Leipzig 1713, S. 160-162.
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